Corona-Impfstoffe: „Bundesregierung hat sich verzockt“ Patrick Hollstein, 22.09.2022 17:13 Uhr
Bei den Corona-Impfstoffen geht es gerade Schlag auf Schlag. Nach ihren ursprünglichen Varianten haben Biontech und Moderna eine an Omikron BA.1 angepasste Vakzine eingeführt, kürzlich kam Corminaty BA.4/BA.5 hinzu. Was mit den ganzen Dosen passiert und was das kostet, wollte der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger wissen. Doch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mauert.
„Für die Beschaffung der an die Omikron BA.1-Variante angepassten Impfstoffe trägt der Bund die Kosten. Eine Angabe der finanziellen Größenordnung ist aus Gründen der in den EU-Verträgen vereinbarten Vertraulichkeit der Preise nicht möglich“, so das BMG.
Ein Problem mit zu viel Impfstoffen sieht das BMG nicht: „Die an Omikron BA.1 angepassten Covid-19-Impfstoffe sind zum 1. September 2022 nur als Booster, nicht aber für eine Grundimmunisierung zugelassen worden. Entsprechend müssen weiterhin Erstgenerationsimpfstoffe im Rahmen einer Grundimmunisierung herangezogen werden. Zusätzlich erfolgt der Einsatz der Covid-19-Impfstoffe immer nach individueller Aufklärung und Beratung durch die Leistungserbringer. Die Erstgenerationsimpfstoffe werden insofern weiter vorgehalten.“
Kaum Bedarf für Spenden
Allerdings arbeite die Bundesregierung mit Hochdruck daran, weitere Impfstoffe zu spenden. „Ziel ist dabei selbstverständlich auch, dass Covid-19-Impfstoffdosen nicht ungenutzt verfallen.“ Gut sieht es dabei nicht aus: „Das globale Angebot an Covid-19-Impfstoffdosen übersteigt allerdings derzeit bei weitem die Nachfrage.“
Pilsinger ist mit der Antwort nicht zufrieden: „Dass die Bundesregierung die Kosten für die neuen Omikron-Impfstoffe ‚aus Gründen der in den EU-Verträgen vereinbarten Vertraulichkeit der Preise‘ nicht nennen will, ist weder transparent noch gegenüber den Steuerzahlern in Deutschland vertretbar. Wenn sich die Bundesregierung bei ihrer Bestell-Kalkulation verzockt hat, dann muss sie das auch erklären können.“
Pilsinger weiter: „Die Argumentation der Bundesregierung ist fadenscheinig. Weil noch nicht alle Menschen in Deutschland grundimmunisiert seien, müssten ‚Erstgenerationsimpfstoffe weiter vorgehalten‘ werden. Wenn man die aktuellen Zahlen des RKI-Impfquotenmonitorings anschaut, sind wir derzeit bei etwa 63,5 Millionen Grundimmunisierten im Land, was einem Bevölkerungsanteil von 76,3 Prozent entspricht. Dass dann bald ein Großteil der offenbar noch vorhandenen Bergen von Erstgenerationsimpfstoffen vernichtet werden muss, weil sie auch nicht an bedürftige Länder gespendet werden können, liegt auf der Hand.“
Unbekümmerte Werbung
Auch die Antwort auf seine zweite Frage zu den möglichen Risiken des breiten Einsatzes von Paxlovid auch nach telefonischer Verordnung versteht Pilsinger nicht: „Bundesminister Lauterbach macht auf der einen Seite unbekümmert Werbung dafür, dass der Arzt Paxlovid in der telefonischen Sprechstunde schnell unter's Covid-bedrohte Volk bringt. Auf der anderen Seite verweist das Bundesgesundheitsministerium auf die telefonische Verordnung als Einzelfall und verweist auf die Sorgfaltspflicht und Haftung des telefonisch verschreibenden Arztes. Es wäre angebracht, dass Lauterbach mal seiner Sorgfaltspflicht als Minister nachkommt.“
Das BMG hatte argumentiert, dass die Behandlung unverzüglich innerhalb weniger Tage nach einem positiven Covid-19-Test und dem Auftreten erster Symptome begonnen werden muss. Angaben zu Neben- und Wechselwirkungen seien auf der Homepage des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowohl für Patienten als auch für Fachkreise transparent verfügbar.
„Ob eine Behandlung mit Paxlovid für die jeweilige Patientin bzw. den jeweiligen Patienten in Frage kommt, ist die Entscheidung der behandelnden Ärztin beziehungsweise des behandelnden Arztes nach patientenindividueller Abwägung. Dies schließt wie bei allen ärztlichen Verordnungen auch die Berücksichtigung möglicher Neben- und Wechselwirkungen eines Arzneimittels ein.“
Die Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien sei nach § 7 Absatz 4 der Musterberufsordnung im Einzelfall erlaubt, wenn „dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird. Bei einer telefonischen Verordnung von Arzneimitteln gelten grundsätzlich dieselben Haftungsregeln wie bei Verordnungen in der Arztpraxis.“