Zuletzt werden immer häufiger zumeist nicht näher benannte „hochrangige Mitarbeiter von Ärzteverbänden und Krankenkassen“ in den Medien zitiert, die den baldigen Tod der elektronischen Gesundheitskarte voraussagen. Alles Quatsch, sagt dagegen Oliver Bruzek, Kommunikationschef des Softwareherstellers Compugroup Medical (CGM). Der Konzern liefert den entscheidenden Baustein für das Milliardenprojekt Gesundheitskarte, den „Konnektor“. Jetzt gehe es erst richtig los. Auch Apotheker sollen „möglichst rasch“ an die sogenannte Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen werden.
Entsprechende Signale will Bruzek zuletzt auch seitens der Politik vernommen haben. In einem zweiten Teil des E-Health-Gesetzes soll geregelt werden, dass Ärzte und Apotheker die Kosten, die sie aufgrund der Telematikinfrastruktur haben, erstattet bekommen. Das soll Stefan Bales, Ministerialrat im Bundesgesundheitsministerium (BMG), laut einem Bericht des Deutschen Ärzteblatts auf einer Fachtagung Anfang Oktober angekündigt haben. Wie viel es konkret geben soll, sagte er nicht. Bruzek wertet die Ankündigung als einen starken Hinweis darauf, dass Apotheker mittelfristig einen Zugang zur TI bekommen sollen. Seiner Auffassung nach sollen Apotheker sogar „möglichst rasch“ angebunden werden.
Die Kosten für die Basisausstattung mit Konnektor, Kartenleser, VPN-Zugangsdienst und Einweisung des Teams liegen laut Bruzek derzeit bei rund 3600 Euro. Zu der einmaligen Zahlung kommt eine von ihm nicht näher bezifferte Monatsgebühr dazu. Bei Medizinern würden alle Kosten von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen, sagt er. Ob Apotheker die Kosten ebenfalls erstattet bekommen, müsste der Gesetzgeber entscheiden.
Dabei häuften sich zuletzt die Stimmen, die mehr oder weniger laut das Ende des Milliardenprojektes verkündeten. Längst gehen die großen Player auf dem Gesundheitsmarkt ihre eigenen Wege, um das digitale Zeitalter nicht völlig zu verschlafen. So bauen die Kassenärzte in Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Universitätsklinikum UKSH die Telematikplattform „MedNetNord“ auf. Mit der Zeit soll die Plattform für andere Krankenhäuser und Heilberufe wie Apotheker geöffnet werden.
Auch die AOK will mit Partnern aus der Wirtschaft den digitalen Austausch von Patientendaten voranbringen. Sie setzt auf ein dezentrales System, das die 26 Millionen AOK-Versicherten per App verwalten können, indem sie Gesundheitsdaten, die von Ärzten und Kliniken bereit gestellt werden, anderen Leistungserbringern zur Verfügung stellen. Die Techniker Krankenkasse hatte bereits im Februar bekannt gegeben, sie habe IBM mit der Entwicklung einer eigenen elektronischen Patientenakte beauftragt – zentral und rechenzentrumbasiert.
Bei CGM, dem führenden Anbieter von Arztsoftware und Mutterkonzern von Lauer-Fischer, wehrt man sich vehement gegen die Beerdigungspläne der eGK. Bruzek äußert zwar Verständnis für die Frustration aller Beteiligen und Patienten, betont aber, dass die elektronische Gesundheitskarte heute nicht mehr das Projekt selbst ist. „War die eGK ursprünglich als Speichermedium für Medikationsinformationen konzipiert, ist sie inzwischen zuvorderst lediglich der Schlüssel des Patienten zu einer weitreichenden Entwicklung, der Telematikinfrastruktur“, sagt Bruzek.
Dabei handele es sich um einen sicheren Raum, in dem der Patient seine Gesundheitsdaten den Leistungserbringer zur Verfügung stellen könne. Die TI sei eine hochmoderne Infrastruktur, die ein bisher weltweit einzigartiges Datenschutzniveau biete. Ärzte und Patienten würden zudem gegenüber nicht gewollter Transparenz gegenüber den Krankenkassen geschützt, betont Bruzek.
Denn diese würden mit den eigenen Projekten in erster Linie Eigeninteressen verfolgen, ist er überzeugt. „Bisher haben sie im Prinzip nur die Abrechnungsdaten der Versicherten“, erläutert er. „Wenn sie eigene Patientenakten auflegen, verfügen sie dann auch über alle Behandlungsdaten. Die Versuchung ist also groß.“ Solche Insellösungen hätten außerdem einen weiteren großen Nachteil für Patienten: Die Interoperabilität zwischen den Produkten der unterschiedlichen Kassen sei im Gegensatz zur Telematikinfrastruktur nicht vorhanden. So könnten Kassen Versicherte noch enger an sich binden. Denn ein etwaiger Kassenwechsel wäre immer mit dem Verlust der bis dahin aufgebauten kassenspezifischen Patientenakte verbunden. Auch die Sicherheitsstandards würden weit unter denen der TI liegen.
Zwar sei der Frust bei allen Beteiligten extrem hoch, gibt der CGM-Kommunikationschef zu. Jetzt gehe es aber wirklich los. Bereits im November sollen seinen Angaben nach die ersten Konnektoren an Arztpraxen ausgeliefert werden. Dabei handelt es sich um ein Gerät, das die einzelnen Ärzte sicher mit der Telematikinfrastruktur verbinden soll. Der Clou: CGM ist derzeit der einzige Anbieter, der einen offiziell zugelassenen Konnektor verkaufen darf. Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen bereits einen zweistelligen Millionenbetrag investiert. Entsprechend hoch dürfte daher das Interesse des Softwareherstellers am Gelingen des Projektes sein.
Bis Ende 2018 sollen alle rund 40.000 Praxen mit der neuen Technik ausgestattet sein. Eigentlich sollte dies bereits bis Mitte des nächsten Jahres geschehen. Doch wie so oft wird auch diese Frist nicht eingehalten werden können. Die Verzögerung soll bald von höchster Stelle abgesegnet werden. Bruzek ging vorab davon aus, dass der Bundestag in seiner Sitzung am 3. November die Frist offiziell bis zum 31. Dezember 2018 verlängert.
Aber dann könne es wirklich losgehen, versichert er. Sobald alle an die TI angebunden sind, könnten mehrere Anwendungen gestartet werden. Im Prinzip. Zumindest technisch seien etwa der eArztbrief, der eEntlassbrief oder auch der eMedikationsplan entwickelt und könnten jederzeit scharf geschaltet werden.
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