Der saarländische Europa-Abgeordnete Dr. Jorgo Chatzimarkakis (FDP) ist am vergangenen Freitag nach Oslo geflogen, um sich ein Bild vom norwegischen Apothekensystem und den Folgen der Liberalisierung zu machen. In Norwegen besuchte er eine Kettenapotheke (Vitusapotek) und eine unabhängige Apotheke und traf sich mit einem Ministeriumsvertreter sowie mit Kai Finsnes, CEO des norwegischen Apothekerverbandes Apotekforeningen. Die Stippvisite führt Chatzimarkakis, auch als „Chatzi“ bekannt, im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC zu dem Schluss: „Kein System ist einfach auf ein anderes Land übertragbar.“
Die Geschwindigkeit der Apothekenkettenbildung in Norwegen erklärt sich der Parlamentarier allein mit dem im Jahr 2001 „hohen Durchschnittsalter der Pharmazeuten“. Viele Apothekeninhaber hätten kurz vor der Rente eine Chance ergriffen und verkauft: „Auch das Ministerium hat mit einem solchen Schub nicht gerechnet“, meint Chatzimarkakis. Die nationalen Ketten der drei pan-europäischen Großhandelskonzerne Alliance Boots, Phoenix und Celesio hatten innerhalb kurzer Zeit fast 80 Prozent des Marktes unter sich aufgeteilt. Selbst wenn das Fremdbesitzverbot in Deutschland mit einem entsprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) enden sollte, sei mit einer solchen Entwicklung hierzulande nicht zu rechnen, glaubt Chatzimarkakis: „Wenn man dann in Deutschland merkt, dass die Preisnachlässe gar nicht so groß sind, werden die Ketten nicht so große Erfolge haben.“ In Norwegen seien Einsparungen nur möglich gewesen, weil das skandinavische Land über keine eigene Pharmaindustrie verfüge.
„Ich hatte nicht so viele unabhängige Apotheken erwartet“, sagte Chatzimarkakis. Es sind 18. Weitere Apotheken gehören zwar nicht formal zu einer Kette, haben aber Lieferverträge. Von den unabhängigen gehe es nur einer Apotheke sehr gut, viele andere hätten wirtschaftliche Schwierigkeiten, habe Chatzimarkakis von einem Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums erfahren. Da fast alle Apotheken über Tochtergesellschaften zu einem der drei großen Konzerne gehörten, „fühlt sich das Ministerium in ausländischer Hand. Deshalb will es die Unabhängigen unbedingt schützen“, so Chatzi. Seinen Vorschlag, bestimmte Dienstleistungen wie die Versorgung chronisch Kranker nur eigenständigen Apothekern vorzubehalten, sei im Ministerium auf großes Interesse gestoßen. Nicht bei allen Angeboten sei allerdings eine Trennung zwischen unabhängigen und Kettenapotheken rechtlich möglich, gestand er ein. Hier könnten Übergangslösungen greifen.
Chatzimarkakis hat von seiner Reise in den Norden eines nicht mitgebracht: Ein Argument dafür, dass in Deutschland vertikal integrierte Unternehmen berechtigt werden sollten, Apothekenketten zu betreiben. „Es spricht nichts dagegen, alle Apotheken unabhängig zu lassen, aber man darf die Unabhängigkeit nicht als etwas Heiliges sehen“, sagte der FDP-Politiker vage. Als die beiden positiven Effekte der Liberalisierung in Norwegen nannte er die neue flächendeckende Versorgung der Bevölkerung und die verkürzten Wartezeiten, die zuvor bei bis zu 60 Minuten gelegen hätten. Über beide Errungenschaften verfügt das deutsche System bereits heute. Einsparungen sind nach Auffassung des Parlamentariers in Deutschland „wegen der mächtigen Pharmaindustrie und der Position als Referenzpreisland kaum zu erwarten“. Auf die Frage, warum er sich nun in Norwegen für die Stärkung der unabhängigen Apotheken einsetze, antwortete Chatzimarkakis: „Ein Selbstständiger haftet selber: Wenn er einen falschen Rat gibt, ist die Apotheke platt.“
APOTHEKE ADHOC Debatte