Chaos bei den Ermittlern Alexander Müller, 13.04.2018 17:07 Uhr
Im Verfahren um die Datenaffäre des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) wurde heute der Kriminalbeamte befragt, der seinerzeit die Ermittlungen geleitet hatte. Doch weit kam man nicht, weil zunächst etwaige Ermittlungspannen geklärt werden müssen. Der Beamte muss erneut erscheinen. Als Zeuge geladen war außerdem ein weiterer BMG-Beamter, der zu den Tatvorwürfen allerdings nichts beitragen konnte.
Christoph H., dem ehemaligen IT-Mitarbeiter des BMG, wird vorgeworfen, Daten aus dem Ministerium gestohlen und an den damaligen ABDA-Sprecher und heutigen APOTHEKE ADHOC-Herausgeber Thomas Bellartz verkauft zu haben. Im Rahmen der Ermittlungen war H.s Arbeitsplatz im BMG technisch überwacht worden. Der Chefermittler schilderte, wie der Rechner in den Abendstunden präpariert wurde. Bei der Gelegenheit hatte der IT-Chef des Ministeriums dem Ermittler auch gezeigt, wie einfach es ist, als Systemadministrator auf alles zuzugreifen.
Schon bei der Observation gab es offenbar Abstimmungsprobleme: „Wir hatten am Anfang große Schwierigkeiten, mit dem BMG auf einen Nenner zu kommen“, so der Chefermittler, demzufolge man im Ministerium etwas weitreichende Vorstellungen von den Überwachungsmöglichkeiten hatte. In Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten musste sichergestellt werden, dass keine unbeteiligten Dritten überwacht werden.
Beim tatsächlichen Zugriff im November 2012 wurden die Kriminalbeamten unauffällig über die Tiefgarage ins BMG geschleust. An H.’s Arbeitsplatz wurde ein USB-Stick abgezogen, auf dem sich dem Ermittler zufolge 2378 Mails aus persönlichen und öffentlichen Postfächern befanden.
Das BMG war bei der Auswertung behilflich, was die Organisation der Ermittlungsakten nicht erleichterte. So seien Asservate doppelt oder dreifach erfasst worden und Nummerierungen mehrfach vergeben worden. Über längere Zeit sei die Akte auch gar nicht im Büro des Chefermittlers gewesen – was auch der Grund dafür gewesen sein soll, dass er heute aus einer Mail zitierte, die sich überhaupt nicht in den Ermittlungsakten befindet.
Das wurde von den Verteidigung scharf kritisiert, die befürchtet, dass ihr Informationen vorenthalten werden. Der Ermittler räumte ein, dass er durchaus Korrespondenzen gelöscht habe, die er als nicht relevant erachtet habe – und entschuldigte sich für das Chaos. Allerdings habe auch die Staatsanwaltschaft das Ordnungssystem nicht eingehalten. Die Verhandlung musste mehrfach unterbrochen werden, schließlich ordnete das Gericht an, möglichst alle noch verfügbaren Mails beizubringen. Der Ermittler muss in zwei Wochen erneut erscheinen.
Die Verteidigung des Angeklagten H. forderte außerdem, dass Aussagen aus dessen Befragung nicht verwertet werden dürfen. Denn dieser hatte in der polizeilichen Vernehmung zu Protokoll gegeben, dass er keine weiteren Angaben zu den Tatvorwürfen machen wollte, eher er nicht mit seinem Verteidiger gesprochen habe. Der Ermittler stellte laut Protokoll dennoch zehn weitere Fragen. „Er hat von sich aus etwas von seiner Ex-Frau erzählt und dann habe ich nach Bellartz gefragt, was ich heute so nicht mehr machen würde“, räumte der Ermittler ein. Das Gericht sah aber vorerst kein offensichtliches Verwertungsverbot, behält sich eine endgültige Entscheidung aber für die Schlussberatung vor.
Anschließend wurde noch ein ehemaliger Beamter aus der Rechtsabteilung des BMG befragt. Ihm hatten die Ermittler E-Mails vorgelegt, die aus mutmaßlich betroffenen Postfächern stammen könnten. Im Ministerium sollte geprüft werden, ob dort nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Dokumente erhalten waren.
Der Beamte hatte sich sogar die Mühe gemacht, zeitliche Zusammenhänge zwischen verschickten Mails und Veröffentlichungen bei APOTHEKE ADHOC zu belegen. Da teilweise auch ersichtlich öffentlich zugängliche Dokumente vorgebracht wurden oder Themenkomplexe, an denen mehrere Ministerien und EU-Behörden beteiligt waren, erschloss sich nicht nur der Verteidigung der Zusammenhang zu den Tatvorwürfen nicht.
Und dann ging es noch um zwei Dokumente, die bei Bellartz sichergestellt worden waren. Das ein war zwar nicht direkt öffentlich, aber auch laut dem BMG-Beamten von mäßigem Interesse. Die Einordnung eines Papiers des Pharmaverbands VFA seitens der Fachabteilung sei seiner Einschätzung nach dagegen „bares Geld wert“. Bellartz Verteidiger Professor Dr. Carsten Wegner deutete allerdings an, dass ein anderer Referent aus dem BMG genau zu diesem Thema an einer öffentlichen Podiumsdiskussion teilgenommen hatte. Im Übrigen sei das Papier aus dem Jahr 2009 im November 2012 bei Bellartz gefunden worden, über die Quelle könne mithin gar nichts mehr gesagt werden.
Wegner hatte sich zu Beginn der Verhandlung auch noch zur Aussage des ABDA-Hauptgeschäftsführers Dr. Schmitz vom vergangenen Dienstag geäußert. Dieser habe bestätigt, dass es weder Datentransfers aus dem BMG an die ABDA noch korrespondierende Geldflüsse von der Apothekerorganisation an Bellartz gegeben habe. Bellartz selbst sei auch nicht als „Lobbyist“ beim Bundestag registriert gewesen und habe Schmitz zufolge auch nicht über besonders intime Details aus dem Ministerium verfügt.