Schwarzmarkt bleibt attraktiv

Chaos bei Cannabis-Clubs Lilith Teusch, 02.08.2024 07:53 Uhr

Eigentlich sollte dem Schwarzmarkt durch die Teillegalisierung die Grundlage entzogen werden, doch Gelegenheitskonsumenten werden nach Einschätzung der Experten kaum auf den Eigenanbau zurückgreifen. Foto: VictorMoussa-stock.adobe.com
Berlin - 

Seit dem 1. April ist Cannabis legal, zumindest wenn man es selbst anbaut oder Mitglied in einem eingetragenen Verein ist – und die behördlichen Zuständigkeiten so weit geklärt sind, dass die für den Club erforderliche Anbaulizenz auch ausgestellt werden kann. Dem Schwarzmarkt wollte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seinem neuen Gesetz die Grundlage entziehen und gleichzeitig die Prävention stärken. Ob das mit dem Gesetz gelingt? Daran besteht Zweifel. 

Seit dem 1. April darf Cannabis in Deutschland legal konsumiert werden. Allerdings darf das Gras nur aus eigenem Anbau genutzt werden. Einen legalen Vertrieb der Droge gibt es nicht. „Auf Verbraucherseite werden Anreize zum Konsum und zum Besitz von Cannabis geschaffen. Eine umfassende Legalisierung wurde aber gerade nicht vorgenommen“, kritisiert Rechtsanwalt Patrick Bass. Vielmehr werde der Konsument angehalten, sich selbst in den Anbau einzuarbeiten oder ein kompliziertes Verfahren inklusive „Datensammelwut“ bei irgendwelchen Anbauvereinen zu durchlaufen.

„Ein kurzer Kontakt mit dem Dealer des Vertrauens dürfte einfacher sein“, schlussfolgert der Anwalt. Das Dealen werde auch dadurch erleichtert, dass man 25 Gramm Cannabis legal mit sich führen dürfe. „Ein Tatnachweis hinsichtlich des Verkaufs wird hierdurch selten zu führen sein“, erklärt Bass.

Zu wenig Geld für Prävention

Zwar würden Anreize für den Eigenanbau geschaffen, aber Gelegenheitskonsumenten würden sich ihr Gras wohl weiterhin auf dem Schwarzmarkt besorgen, meint auch Janis Schneider von der Fachstelle für Suchtprävention in Berlin. Dort ist der THC-Gehalt laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) allerdings höher und Gesundheitsminister Karl Lauterbach warnte oft vor Verunreinigungen. Generell gelte die Faustregel: Je früher der Einstieg, je höher die Dosis, je regelmäßiger der Konsum und je mehr andere Drogen wie Alkohol zusätzlich konsumiert werden, desto gefährlicher ist die Droge, erklärt Schneider.

Die Legalisierung ist aus seiner Sicht aber ein Schritt in die richtige Richtung. Sie könne dazu beitragen, die Aufklärungsarbeit zu erleichtern und das Sprechen über die Substanz zu normalisieren. Allerdings dürfe die Präventionsarbeit, wie von Lauterbach versprochen, nicht vernachlässigt werden. Dafür brauche es mehr Geld und Personal, so Schneider. Die Sparpolitik in diesem Bereich werde dem wachsenden Bedarf nicht gerecht, kritisierte er.

Chaos bei Cannabis-Clubs

Neben den Pflanzen zu Hause darf auch gemeinschaftlich angebaut werden, nämlich in einem Cannabis-Club. Eigentlich sollte es am 1. Juli so weit sein. Doch auch einen Monat später scheint es noch viele Fragezeichen zu geben. „Hinsichtlich der Anbauvereine können wir Ihnen auch nichts Genaueres sagen, weil die Vorgänge bislang diffus geregelt sind. Die Informationsseite der Bundesregierung verweist insofern darauf, dass die konkrete Lizenzierung ‚Ländersache‘ sei“, sagt Bass.

Tatsächlich sind die behördlichen Zuständigkeiten in Deutschland ein Flickenteppich: In Niedersachsen muss der Antrag bei der Landwirtschaftskammer gestellt werden, in Nordrhein-Westfalen bei der jeweiligen Kreisverwaltung, in Bremen ist das Verbraucherschutzministerium zuständig. Und in Berlin ist auch einen Monat nach dem Startschuss noch nicht wirklich geklärt, wer eigentlich zuständig ist.

„Die erforderliche Zuständigkeitsverordnung wird zurzeit für das Mitzeichnungsverfahren mit den thematisch betroffenen Senatsverwaltungen vorbereitet, um anschließend dem Senat vorgelegt werden zu können. Im Anschluss erhält der Rat der Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister die Möglichkeit zur Stellungnahme. Im letzten Schritt wird die Verordnung zur Kenntnisnahme in das Abgeordnetenhaus eingebracht“, so die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege auf Anfrage.

Wann dieser Prozess abgeschlossen sein wird, könne derzeit noch nicht gesagt werden. Es werde aber intensiv an der Umsetzung gearbeitet, damit die Verordnung so schnell wie möglich in Kraft treten könne. Solange die Zuständigkeit nicht geklärt ist, gilt die Auffangzuständigkeit, nach der die Bezirksämter zuständig sind. Diese scheinen sich aber auch nicht wirklich zuständig zu fühlen.

„Wir haben uns vor etwa einem Monat an das Bezirksamt gewandt, die haben uns erst einmal an die Pressestelle verwiesen“, erinnert sich Damian Wellmann vom High Society Cannabis Club Berlin. Seitdem stehe man in regelmäßigem Kontakt mit dem Amt, doch noch immer sei nicht ganz klar, welche Unterlagen benötigt werden und wann mit einer Genehmigung für den Anbau zu rechnen ist. Er kritisiert die Kommunikation seitens der Politik, es habe kaum Austausch mit den Verbänden gegeben. Wellmann ist aber optimistisch, dass sich die Bezirksämter langsam sortieren.

Drogenmafia als Gewinner

In der Bild zog Oliver Huth, Vorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Nordrhein-Westfalen, kürzlich eine vernichtende Bilanz: Durch die Legalisierung gebe es zwar eine legale Nachfrage, aber keinen legalen Markt für diese Nachfrage. „Das ist der Untergang.“ Die Regierung sei absolut naiv und gewesen und habe alle Ratschläge in den Wind geschlagen.

Er sprach sich dafür aus, das Gesetz sofort wieder einzukassieren: „Es ist nicht nachhaltig, es gibt keinen Jugendschutz – das Gesetz ist von A bis Z falsch.“ So sei der THC-Maximalgehalt von 10 Prozent viel zu niedrig: „Danach fragt aber kein einziger Konsument. Diejenigen, die wollen, dass es bei ihnen richtig ,klingelt‘, die werden sich weiterhin illegale Quellen suchen, um ihren Bedarf zu decken. Der Gewinner: die Drogenmafia.“