CDU diskutiert übers Personal und E-Rezept Lothar Klein, 21.11.2019 11:51 Uhr
Seit sie vor einem Jahr Angela Merkel als Parteichefin der CDU abgelöst hat, musste Annegret Kramp-Karrenbauer bereits viel Kritik einstecken – nicht nur wegen der Verluste bei der Europa- und den Landtagswahlen. Mit Spannung wird deshalb erwartet, was jetzt beim Bundesparteitag in Leipzig passiert. Kommt es zur Abrechnung mit AKK? Kann ihr Friedrich Merz bei der Kanzlerkandidatur gefährlich werden? Eine Revolte wird in Leipzig wohl ausblieben. Aber es wird diskutiert – auch über Gesundheitsthemen wie das E-Rezept. Einmischen in die Parteipolitik wird sich daher auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der seine Ambitionen aufs Kanzleramt nicht versteckt.
Gelegenheit für Spahns Auftritt bietet unter anderem der Antrag des CDU-Bundesvorstandes zur „Digitalcharta Innovationsplattform: D“. Darin enthalten ist ein Kapitel „Innovationsfeld Gesundheit“, entworfen ganz nach dem Geschmack von Spahn: Digitale Medizin könne die Gesundheitsversorgung qualitativ verbessern, effektiver und effizienter machen. Gleichzeitig könne hierbei ein gewichtiger Wirtschafts- und Industriezweig für den Standort Deutschland entstehen. „Wir wollen nicht warten, bis internationale Großkonzerne diesen Markt übernehmen. Wir wollen selbst das innovative Umfeld schaffen, in dem Weltmarktführer entstehen“ – so oder so ähnlich hat man Spahn schön öfter vernommen.
Die ersten Schritte seien getan. „Ab 2020 startet das E-Rezept und die Erstattung digitaler Anwendungen durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) soll zum Standard werden“, heißt es darin weiter. Digitale Medizin werde Teil des Alltags der Menschen. Sensorik und Verknüpfung mit digitalen Anwendungen (Apps) würden in Zukunft ganz selbstverständlich Patienten bei Vor- und Nachsorge unterstützen oder Ärzten helfen, ihre Behandlungen besser zu machen. Die Einführung der elektronischen Patientenakte in 2021 gebe allen Bürgern den Zugang zu ihren Daten und lege die Grundlage für die Medizin von morgen. Weiter befasst sich der Antrag mit Big Data und künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen.
Mit Mittelpunkt des CDU-Parteitages wird allerdings die Performance von AKK stehen. Gelingt es der CDU-Vorsitzenden wie bei ihrre Wahl vor einem Jahr, die 1001 Delegierten mit einer guten Rede zu überzeugen und die vielen Pannen der letzten Monate in den Hintergrund treten zu lassen?
Ursprünglich hatte man von Widersacher Merz in der Aussprache über die AKK-Rede eine eigene Grundsatzrede als Gegenentwurf erwartet. Doch aktuell weist Merz solche Spekulationen über einen Aufstand seiner Unterstützer gegen Kramp-Karrenbauer zurück: „Wir haben auf diesem Parteitag keine Personalentscheidungen, und wir werden auch keine Personaldiskussionen führen“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er werde in Leipzig „einige wenige Anmerkungen“ zu grundsätzlichen Fragen machen. „Es wird also sehr sachlich und konstruktiv werden.“ Zugleich setzt er sich jedoch vom Koalitionskompromiss zur Grundrente ab.
In der Tat könnte sich am Thema Grundrente der aufgestaute Frust in der CDU entzünden. Die Junge Union (JU) und die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) fordern in einem Antrag, dass die Umsetzung an Voraussetzungen gebunden ist, die von der SPD abgelehnt werden: „Die JU und die MIT bleiben bei ihren Bedenken gegen die vereinbarte Form der Grundrente, da diese einen Systembruch des Sozialsystems darstellt und erstmals eine Sozialleistung ohne Bedürftigkeitsprüfung gewährt.“
Beide CDU-Organisationen fordern, dass der automatisierte Einkommensabgleich zwischen den Finanzbehörden und der Deutschen Rentenversicherung fehlerfrei sein muss oder die Prüfung den Grundsicherungsämtern übertragen werden muss. Das lehnt die SPD ab. Der politische Charme des Antrags besteht vor allem im indirekten Angriff auf die Parteiführung: Die Delegierten könnten die Grundrente ablehnen, ohne sich dabei offiziell gegen die eigenen Parteispitze oder die GroKo auflehnen zu müssen. Da AKK die Grundrente für die CDU verhandelt hat, wäre sie beschädigt.
Ärger könnte es auch um die Beteiligung von Huawei am Ausbau des deutschen 5G-Netzes geben. Merkel will den chinesischen Mobilfunkanbieters ins Boot holen – andere nicht. Auch an dieser Frage könnte die Machtfrage hochkochen: Wie stark ist Merkel noch am absehbaren Ende ihrer Kanzlerschaft?
363 Seiten dick ist das Antragsbuch zum CDU-Parteitag mit rund 500 Einzelpositionen. Die JU fordert unter anderem, den Beitragsanteil für die Sozialversicherungen fix bei 40 Prozent zu deckeln. Die junge Generation solle so vor Überlastung geschützt werden. Und die CDU-Mittelstandsvereinigung kümmert sich um die Arzneimittelpreise: Der GKV-Spitzenverband habe eine Monopolstellung: „Das Prozedere der Preisfestsetzung erscheint häufig willkürlich und wenig transparent. Insbesondere kleinere und mittlere pharmazeutische Anbieter können bei dieser preislichen Abwärtsspirale nicht mehr anbieten und gehen vom Markt.“
Ebenso würden unter diesen Bedingungen auch Schrittinnovationen oder Weiterentwicklungen von bereits bekannten Wirkstoffen nicht umgesetzt. Dies führt in der Folge zu Versorgungsengpässen und einer starken Konzentration auf der Anbieterseite. Wettbewerb finde so nicht mehr statt, die Therapievielfalt werde hierdurch drastisch eingeschränkt.
Die CDU-Mittelstandsvereinigung fordert eine Veröffentlichungspflicht für alle Festbetragsfestsetzungen. Zusätzlich sollen die Prozesse zur Festbetragsfestlegung durch externe Sachverständige stichprobenartig alle zwei Jahre geprüft werden. Die Antragskommission empfiehlt allerdings, diesen Antrag an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu überweisen. Damit dürfte es auf dem Parteitag zu keiner Diskussion darüber kommen.