CBD-Verbot: Hersteller verklagt Stadt Düsseldorf APOTHEKE ADHOC, 05.10.2020 12:32 Uhr
Das Cannabis-Unternehmen Hempro hat die Stadt Düsseldorf verklagt: Es will sich gegen die Allgemeinverfügung aus dem Juli wehren, mit der die Rheinmetropole – wie zuvor Köln – den Verkauf von CBD-haltigen Lebensmitteln verboten hat. Geschäftsführer Daniel Kruse – der gleichzeitig dem europäischen Hanfverband EIHA vorsteht – wirft der Stadt vor, eine rechtliche Bewertung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) falsch interpretiert zu haben. Die Anordnung sei willkürlich, kritisiert er.
Isolate, Extrakte, synthetisch oder natürlich gewonnen: Politik und Branchenvertreter streiten weiter darüber, wann CBD in welcher Form wie zulässig ist. Im Juni und Juli hatten die Städte Köln und Düsseldorf Fakten geschaffen, indem sie mit Allgemeinverfügungen das Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die Cannabidiol aus CBD-Isolaten oder aus „CBD-angereicherten Hanfextrakten“ enthalten, untersagten. Denn die seien als neuartige Lebensmittel anzusehen und benötigten deshalb eine Zulassung entsprechend der Novel-Food-Verordnung der EU – die noch nicht vorliegt. Das gilt auch für jedes Produkt, zu dem cannabinoidhaltige Extrakte als Zutat zugesetzt werden, also beispielsweise Hanfsamenöl mit CBD-Zusatz. Nicht betroffen sind Hanfsamenöl ohne Zusätze, Hanfsamenmehl oder Hanfsamenprotein, die aus Nutzhanfpflanzen gewonnen werden. Außerdem sind Produkte, die keine Lebensmittel sind, von der Allgemeinverfügung nicht betroffen.
Allerdings hatte die Stadt Düsseldorf im Wortlaut „das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die Cannabidiol (als ‚CBD-Isolate‘ oder ‚mit CBD angereicherte Hanfextrakte‘) enthalten“, untersagt. Der feine, aber entscheidende Unterschied: Nach Kruses Auffassung geht aus dem Untersagungstext nicht eindeutig die Trennung zwischen natürlich enthaltenem und isoliertem Cannabidiol hervor. Denn CBD-Produkte, die ausschließlich das natürliche Spektrum der Inhaltssubstanzen der Industriehanfpflanze widerspiegeln, enthielten gar keine CBD-Isolate oder mit CBD angereicherte Hanfextrakte und würden aus diesem Grund auch nicht unter das Verkaufsverbot fallen – eigentlich. Verboten sind sie nun trotzdem.
Kruse hebt mit seinem Argument auf natürliche Vollspektrumextrakte ab, wie auch er sie mit seinem Unternehmen Hempro herstellt. „Die Behörden machen einen groben Fehler: Auch ein normales Hanfsamenöl oder normale Hanfsamen enthalten natürlich Cannabinoide, genauso wie sie Spuren von THC enthalten“, erklärt er. In gängige Nutzhanfsorten sei nach Sorte und Herkunft ein natürlicher CBD-Gehalt zwischen 0,5 und 6 Prozent enthalten. Auch Hanfsamenöle, -mehle oder -proteine enthielten durch natürliche Verunreinigungen einen gewissen CBD-Anteil. Durch den Wortlaut der Allgemeinverfügung seien jedoch nicht nur Isolate betroffen, sondern auch natürliche Extrakte.
Gesprächsangebote habe Oberbürgermeister Thomas Geisel abgelehnt, genauso wie Verwaltungsspitze und das zuständige Amt für Umwelt und Verbraucherschutz. „Mir blieb am Ende leider nichts anderes übrig, als die Klage gegen meine Heimatstadt einzureichen“, sagt Kruse. Die Klage erzielte vorerst nicht die erhoffte Wirkung: Kruses Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Das sieht er jedoch nicht als Niederlage: „Dies ist insofern ein Zwischenerfolg, weil auch das Verwaltungsgericht unsere Rechtsauffassung bestätigt hat, dass der Wortteil des Untersagungstenors ausschlaggebend sei und nicht der Begründungsteil“, so Kruse.
Dabei habe das Gericht allerdings Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht beachtet, wonach eine derartige Widersprüchlichkeit zwischen Tenor und Begründung einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot darstellt und aus diesem Grund rechtswidrig sei. „Das Gericht hätte daher insoweit wegen der zu erwartenden Aufhebung der Allgemeinverfügung deren angeordneten sofortigen Vollzug aufheben und die aufschiebende Wirkung wiederherstellen müssen“, sagt Kruse. Aber in das Verwaltungsgericht habe er ohnehin wenig Hoffnung gesetzt: „Wir werden warten müssen, bis sich höhere Instanzen damit beschäftigen.“
Parallel zu seinem Rechtsstreit setzt Kruse als oberster Vertreter der europäischen Nutzhanfindustrie alle Hebel in Bewegung, um für seine Branche in den kommenden Monaten schlimmeres zu verhindern: Denn die EU spricht sich derzeit dafür aus, natürlich gewonnenes CBD künftig als Betäubungsmittel entsprechend der UN-Drogenkonvention von 1961 zu behandeln – und zwar nur natürlich gewonnene, weil in der Konvention die Rede von Bestandteilen der Pflanze Cannabis sativa L. ist. „Diese Trennung zwischen natürlich gewonnenem und synthetisch hergestelltem CBD ist Quatsch“, sagt Kruse. Doch sie stehe durchaus stellvertretend für den regulatorischen Schlingerkurs, den die EU seit Jahrzehnten beim Thema Cannabis fahre. Bereits in den 1970er Jahren habe der EWG-Rat Industriehanf als Kulturpflanze anerkannnt und sogar seinen Anbau subventioniert. „Im Jahr 1997 bestätigte die EU-Kommission, dass Lebensmittel aus irgendeinem Teil der Hanfpflanze nicht ‚neuartig‘ seien. Im Jahr 2019 wurden einige Teile der Pflanze und die daraus hergestellten Lebensmittel plötzlich als ‚neuartig‘ eingestuft, und nun wiederum sind bestimmte Teile derselben Industriehanfpflanze als ‚narkotisch‘ anzusehen“, fasst er zusammen. „Anstatt eine wissenschaftlich fundierte, verlässliche und transparente Politik zu schaffen, scheint der Hanfsektor bewusst ins Visier genommen zu werden. Dieses absurde und willkürliche Dilemma hat nichts mehr mit Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit zu tun. Industriehanf ist legal, aber die Willkür der Behörden ist es nicht.“