Schmerztherapie

Lauterbach: Rabattvertrag für Cannabis

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Berlin -

Das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts, dass chronisch kranke Patienten ausnahmsweise privat die illegale Droge Cannabis züchten dürfen, hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die Richter erlauben den Anbau zu Therapiezwecken, wenn den Kranken sonst nichts gegen ihre Schmerzen hilft – und Cannabis aus der Apotheke zu teuer ist. Der SPD-Gesundheitsexperte Professor Dr. Karl Lauterbach fordert, dass die Kassen diese Kosten übernehmen müssten. Schließlich ginge es nur um eine kleine Gruppe, der alle anderen Medikamente und Therapien nicht helfen würden, sagte er zu Spiegel Online.

Eine Abgabe durch Apotheken sei eine sichere Lösung. „Kontrollieren ließe sich nicht nur, wer wie viel Cannabis bekommt. Auch die Qualität der Droge selbst wäre sichergestellt“, so Lauterbach.

Wenn Kranke, die eine Berechtigung haben, Cannabis per Rezept erhalten würden, könnten die Kassen den Bedarf planen und ausschreiben; der beste Anbieter bekäme den Zuschlag, sagte Lauterbach zu Spiegel Online. Die momentane Situation, in der schwerkranke Menschen „zu irrwitzigen Aktionen gedrängt“ werden, sei ein Armutszeugnis für das deutsche Gesundheitssystem.

Für Eugen Brysch, Vorsitzender der Stiftung Patientenschutz, ist das Urteil eine gute Entscheidung – aber trotzdem nicht der beste Weg. „Die Plantage daheim für jeden Schwerkranken kann nicht die Lösung sein“, sagt er. „Es kann jetzt nach dem Kölner Urteil auch jede Woche eine neue Klage geben.“

Brysch plädiert für „vernünftige“ Preise für Apotheken-Cannabis und eine Kostenübernahme durch die Kassen. Derzeit werde die lindernde Therapie mit der Preisgestaltung der Apotheken ad absurdum geführt, sagte er.

Auch Richter Andreas Fleischfresser kritisiert die Politik. Dass die „Notlösung“ Cannabis-Anbau nun in drei Fällen ausnahmsweise erlaubt werde, habe mit einem Missstand zu tun: dem Kostenproblem. „Das zu lösen, wäre für den Gesetzgeber eigentlich ein Leichtes“, sagte Fleischfresser. Die Krankenkassen könnten verpflichtet werden, für Cannabiskraut aus den Apotheken die Kosten zu übernehmen.

Fleischfresser monierte weiter: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) habe den Klägern den Kauf in der Apotheke erlaubt und die schmerzlindernde Wirkung ausdrücklich anerkannt. Nur rund 270 Patienten bundesweit haben derzeit überhaupt eine solche Erlaubnis. Die Konsum-Genehmigung sei „aber de facto wertlos“, wenn das Medizinalkraut unerschwinglich für die Patienten bleibe, so der Richter. Ein Patient hatte von 800 bis 1000 Euro Kosten monatlich gesprochen. Er verdiene aber netto bloß 1500 Euro.

Lob für das Urteil kam von Palliativmedizinern: „Für Patienten mit chronischen Schmerzen sowie für Multiple-Sklerose- und Tumorpatienten, die eine Erlaubnis zum Erwerb und therapeutischen Konsum von Cannabisblüten besitzen, sind die Urteile eine Erleichterung, da sie die zu therapeutischen Zwecken notwendige Menge an Cannabis nun selbst anbauen und verarbeiten können, ohne die Kosten für den Erwerb des Cannabis aufbringen zu müssen“, sagte Professor Dr. Joachim Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD).

Jetzt komme es darauf an, dass diese Patienten strikt nach den Vorgaben der ärztlichen Beratung handelten und Missbrauch durch entsprechende Auflagen vermieden werde, so Nadstawek. „Das Urteil wird für die Behandlung von chronischen Schmerzen wegweisend sein und hoffentlich dazu führen, die Indikationen für den therapeutischen Einsatz von Cannabis zu erweitern“, so der Mediziner.

Unterstützung auch von grüner Seite: Der Hans-Christian Ströbele lobte das Urteil. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete wies außerdem darauf hin, dass in mehr als 20 US-Bundesstaaten Cannabis für gesundheitliche Zwecke freigegeben sei; in zwei Staaten könne die Droge sogar völlig frei erworben werden. „Wir brauchen dringend in Deutschland eine Diskussion darüber, dass Cannabis endlich legalisiert wird“, sagte er.

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