Bis zum Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke in Deutschland wird mehr Zeit vergehen als vom Bund geplant. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf stoppte am Mittwoch das Vergabeverfahren um den Anbau und die Lieferung von zunächst 6,6 Tonnen Cannabis. Es untersagte dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), einen Zuschlag zu erteilen, wie ein Gerichtssprecher sagte. Eigentlich war die erste Ernte unter staatlicher Aufsicht für 2019 geplant.
Der Vorsitzende Richter Heinz-Peter Dicks hatte bereits zum Auftakt der Verhandlung kritisiert, das BfArM habe die Frist beim Vergabeverfahren zu kurz bemessen. „Diese Frist hätte verlängert werden müssen“, sagte Dicks.
Für das Bundesinstitut hatte Rechtsanwältin Heike Dahs indes davor gewarnt, ein Stopp oder eine Wiederaufnahme der Vergabe sei „für die Versorgung der Patienten sehr schlecht“. „Natürlich wird damit der Termin 2019 nicht gehalten werden können“, sagte Dahs.
Das BfArM reagierte enttäuscht auf die Entscheidung. Das Ziel der Ausschreibung, könne nun nicht mehr erreicht werden, teilte eine Institutssprecherin mit. Die Beschlussbegründung werde nun geprüft, anschließend werde die Behörde „die notwendigen Entscheidungen treffen, um schnellstmöglich ein neues Ausschreibungsverfahren starten zu können“.
Cannabis auf Rezept gibt es seit einem Jahr. Seither schießt die Zahl der Behandlungen in die Höhe. Doch der Staat möchte die als Arznei legalisierte Droge mit Qualitätsstandards in Deutschland angebaut sehen, strebt die Eigenversorgung an. Bisher wird Medizin-Cannabis vor allem aus Kanada und den Niederlanden importiert.
Das BfArM in Bonn hatte eine 18-seitige Ausschreibung ausgelobt. Darauf hatten sich 118 Firmen beworben. Eine von ihnen machte nun geltend, dass nach einer Änderung der Vorgaben die verbleibende Frist nicht ausgereicht habe, um den Antrag anzupassen. Dem schloss sich da OLG an. Die Entscheidung sei endgültig, sagte der Gerichtssprecher. Drei weitere Beschwerden verschiedener Unternehmen gegen andere Aspekte des Vergabeverfahrens lehnte das OLG hingegen ab.
Branchenkenner kritisierten, die geplante Menge sei viel zu gering. Bereits jetzt gebe es etwa 15.000 Patienten. Falls jeder von ihnen nur ein Gramm Cannabis pro Tag konsumiere, würden die 6,6 Tonnen kaum für ein Quartal ausreichen. Potenziell könnten sogar mindestens 300.000 Menschen von legalem Cannabis profitieren, sagte ein Verfahrensbeobachter, der namentlich nicht genannt werden wollte.
Bis zur Liberalisierung im März 2017 war medizinisches Cannabis in Deutschland eine Nische, nur rund 1000 Kranke hatten eine Ausnahmegenehmigung. 2017 wurden schon rund 44.000 Einheiten Blüten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausgegeben. Die Zahlen stiegen von Quartal zu Quartal, berichtete die ABDA.
Der Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) von Cannabis kann nicht nur Schmerzen, sondern auch Spastiken, etwa bei Multipler Sklerose, lindern, sowie Übelkeit nach Chemotherapien. Es soll auch gegen Epilepsie helfen. Sogar zur Linderung des Tourette-Syndroms kommt der Stoff zum Einsatz, dessen Ruf bislang von Kiffern und Dealern geprägt wurde. Die medizinische Wirksamkeit ist aber teils umstritten.
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