Fahrtüchtigkeit

Polizei traut Apotheker-Ausweisen nicht

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Berlin -

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften ist davon auszugehen, dass mehr Kraftfahrer unter Cannabis-Medikation hinter dem Steuer sitzen. Dies kann problematisch werden, denn auch ärztlich verordneter Medizinalhanf kann die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Die Teilnahme am Straßenverkehr ist für Cannabispatienten möglich und auch nicht mit Sanktionen verbunden, sofern das Arzneimittel keine Fahrauffälligkeiten hervorruft. Patienten haben Angst, die Fahrerlaubnis entzogen zu bekommen und klagen über uninformierte Polizisten.

Berichten von Cannabispatienten zufolge ist die Teilnahme am Straßenverkehr nicht immer reibungslos: In der Anfangs- sowie Einstellungsphase mit Medizinalhanf kann die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt sein. Schwierigkeiten kann auch die Polizei bereiten, wenn Cannabis mitgeführt und/oder konsumiert wird. Möglich ist eine Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU). Um bei einer möglichen Vekehrskontrolle Probleme zu vermeiden, wird Patienten empfohlen, eine Rezeptkopie oder eine Bescheinigung des Arztes bei sich zu führen.

Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rät Cannabispatienten davon ab, insbesondere zu Therapiebeginn sowie in der Dosisfindungsphase aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen. „Ausreichend verlässliche wissenschaftliche Informationen zu dieser Frage liegen nicht vor“, so das BfArM. Ob bei stabiler Dosierung die Teilnahme am Straßenverkehr möglich ist, müsse der behandelnde Arzt in jedem Einzelfall nach Rücksprache mit dem Patienten entscheiden.

Der Schmerzpatient Rüdiger Klos-Neumann hat die Probleme mit Cannabis im Straßenverkehr am eigenen Leibe erfahren. Nach eigenen Angaben fuhr er mit dem ärztlichen Gutachten zur Führerscheinstelle, um künftige Probleme im Straßenverkehr zu vermeiden. „In Rücksprache mit dem Leiter der Führerscheinbehörde, teilte mir dieser mit, dass ich eine medizinische Untersuchung zu absolvieren hätte“, sagt der Geschäftsführer von sens media. „Dabei ist es unerheblich, ob dies ärztlich angeordnet oder zu ihrem privaten Vergnügen ist“, gebe ihm der Leiter zu wissen.

Er sollte ein Gutachten für rund 600 Euro erstellen lassen. Aufgrund fehlender Kostenübernahme zu dem Zeitpunkt und Lieferengpässen beim Cannabis, konnte er sich therapeutisch nicht einstellen und auch das Gutachten nicht erstellen lassen – Folge: Abgabe des Führerscheins. „Aufgrund der anhaltenden Lieferschwierigkeiten ist es mir immer noch nicht möglich, meinen Führerschein zu beantragen, da ich mich immer noch nicht einstellen kann“, sagt Klos-Neumann.

Auch ein Sprecher des Cannabis Verbands in Bayern weiß, wie sehr die Betroffenen unter der „Schikane“ der Polizei leiden. Es sei kein Einzelfall, dass Patienten, die medizinisches Cannabis konsumierten, von sechs Polizisten in Schach gehalten werden. „Es kann nicht sein, dass Patienten wie Straftäter behandelt werden“, sagt Wenzel Cerveny. Vor allem seien Krankheiten nicht immer sofort sichtbar.

Für die Münchner Polizei sei Cannabis eine Droge, auch wenn es medizinisch indiziert sei. „Wir wollen eine einheitliche Regelung“, fordert er. Denn Rezeptkopien und Gutachten würden die Polizisten nicht überzeugen. „Sie gehen immer davon aus, dass das vorgelegte Rezept beziehungsweise die Bescheinigung gefälscht ist“, sagt Cerveny. Aufklärung erachtet er für besonders wichtig: „Wir sind bereit, Schulungen zu geben. Doch die Polizei blockiert. Das interessiert sie nicht.“

Einen Lösungsansatz zur Problematik könnten Patientenausweise bieten, doch hierzu gibt es derzeit keinen gesetzlichen Rahmen. Der Cannabis-Importeur Cannamedical bietet nun als einziges Unternehmen derartige Ausweise an. Patienten können ihn über ihre Apotheke, die die Cannabis-Präparate abgibt, beziehen. Der Antrag muss vom Apotheker unterschrieben werden, der Ausweis im Kreditkartenformat wird dann an den beantragenden Apotheker verschickt, der ihn mit seiner Unterschrift „gültig macht“ und an den Patienten abgibt. Er beinhaltet Angaben zur abgebenden Apotheke, eine Identifikationsnummer sowie zum ärztlich verordneten Arzneimittel auf Cannabis-Basis. Ein Hologramm gewährleistet zudem Fälschungssicherheit. „Wir müssen den allgemeinen Unsicherheiten entgegenwirken, indem wir den Patienten die Angst nehmen. Es darf kein Verbrechen sein, verschriebene Medizin zu sich zu nehmen“, sagt Geschäftsführer David Henn.

Doch wie steht die Polizei zur aktuellen Problematik? Zunächst einmal fällt Cannabis zu medizinischen Zwecken in § 24 a StVG. Demnach ist eine Ordnungswidrigkeit für den Patienten ausgeschlossen, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Medikaments herrührt. Man spricht von einem „Arzneimittelprivileg“. Eine Selbstmedikation mit Cannabis fällt hier nicht rein.

„Was die Teilnahme am Straßenverkehr anbelangt, gelten bei einer Cannabismedikation die gleichen Regeln wie für alle anderen zentralwirksamen Substanzen“, schreibt Polizeidirektor Ludwig Laub von der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg in der Zeitschrift der Deutschen Polizeigewerkschaft. Gesetzestechnisch handele es sich bei dem Privileg um einen Tatbestandsausschluss und keinen bloßen Rechtfertigungsgrund“, so Laub. Mit der „bestimmungsgemäßen Einnahme eines verschriebenen Arzneimittels“ werde auf eine ärztliche Verordnung verwiesen, auf dem die eindeutige Arzneimittelbezeichnung und Dosieranwendung vermerkt sein müsse.

Wenn die Polizisten vor Ort Anzeichen einer akuten toxischen Beeinflussung feststellten, ergebe sich daraus der Verdacht einer „Drogenfahrt“. Das Arzneimittelprivileg könne sich nur exkulpierend darauf auswirken, wenn der Betroffene sofort und ausdrücklich darauf hinweise, dass er Cannabispatient sei. Anhaltspunkte, die auf eine „nicht bestimmungsgemäße Einnahme“ hindeuteten, könnten zu Blutproben führen. „Wenn keine tatsächlichen Anhaltspunkte darauf hindeuten, dass der Betroffene die ärztlichen Einnahmevorgaben missachtet, ist von einem bestimmungsgemäßer Medikamenteneinnahme auszugehen“, so Laub.

In der Praxis würden sich folgende Probleme ergeben: Die Polizei vor Ort könne nicht prüfen, ob der Betroffene das vorhandene Arzneimittel tatsächlich in der vorgegebenen Menge und Applikationsform eingenommen hat. Vor allem können massive Konsumanzeichen auch daherrühren, wenn das Medikament „nach Bedarf“ eingenommen werden soll – was höhere Einnahmemengen zulasse.

Laub bestätigt, dass Polizeibeamte zur Unterrichtung der Fahrererlaubnisbehörden verpflichtet wären, wenn sie Kenntnis davon erhalten, dass ein Fahrer einer Cannabismedikation unterliegt. Gemäß Fahrerlaubnisverordnung (FeV) stelle sowohl die Einnahme von Cannabisprodukten als auch die Dauerbehandlung mit psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln für den Regelfall einen die Fahreignung ausschließenden Mangel dar, was grundsätzlich zur Entziehung der Fahrerlaubnis führe. „Diese Feststellung setzt grundsätzlich eine MPU voraus“, heißt es weiterhin.

Der Polizeidirektor weist darauf hin, dass auch bei bestimmungsgemäßer Einnahme der Cannabispatient vor jedem Fahrtantritt und während der Fahrt das Vorliegen und Fortbestehen seiner Fahrtüchtigkeit überprüfen sollte. Im Zweifel sollte auf die Autofahrt verzichtet werden: „Letzlich bleibt für ihn immer das Risiko bestehen, dass ungeachtet der medizinischen Indikation selbst die bestimmungsgemäße Medikamenteneinnahme zur Fahrunsicherheit führen kann.“

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