Derzeit wird Cannabis zu medizinischen Zwecken importiert, künftig soll der Hanf allerdings in Deutschland angebaut werden. Anfänglich ging das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) davon aus, ab dem kommenden Jahr Ware aus einheimischer Ernte anbieten zu können. Das Vergabeverfahren wurde allerdings vor rund zwei Monaten gerichtlich gestoppt. Wie aus der Begründung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf hervorgeht, darf das BfArM deutsche Bewerber ausschließen.
Der Zeitplan für den Cannabisanbau in Deutschland ist stark gefährdet, der Termin für 2019 wird höchstwahrscheinlich nicht eingehalten werden können. Auf die Ausschreibung vom BfArM hatten sich 118 Firmen beworben, vier von ihnen wollten gerichtlich Ansprüche geltend machen. Einer der Lieferanten kritisierte, dass die verbleibende Frist nach einer Änderung der Vorgaben nicht ausgereicht habe, um den Antrag anzupassen. Dem stimmten die Richter des OLG zu und stoppten deshalb das Verfahren.
Drei weitere Beschwerden bezogen sich auf andere Aspekte des Vergabeverfahrens; diese lehnte das OLG hingegen ab. Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen rügte die Wertung seiner Referenzen als „vergaberechtsfehlerhaft“. Zudem habe das BfArM nicht dahingehend informiert, dass das Verfahren zurückversetzt und die Anträge neu bewertet würden. Darin liege ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Firma beantragte, den Beschluss vom August 2017 aufzuheben und die Wertung der Wertung der Teilnehmeranträge unter Einbeziehung des Antrags des Unternehmens zu wiederholen.
Das BfArM argumentierte, dass die „Cannabis-Referenzen“ zu Recht nicht gewertet wurden, weil die vorgelegte Erklärung nicht die Anforderungen der Vergabeverordnung (VgV) erfüllte. Die Behörde beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Richter beurteilten die Entscheidung des BfArM als „vergaberechtsgemäß“; die Anforderungen seien vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Außerdem liege weder ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das Transparenzgebot vor. Der Behörde sei es gestattet, Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit des Unternehmen zu stellen, denn Ziel sei letztendlich die Sicherstellung einer angemessenen Qualität der Cannabisblüten. Das BfArM habe ein Interesse daran zu erfahren, ob die Bewerber vergleichbare Leistungen schon erfolgreich erbracht haben. „Die an die beruflichen Erfahrungen gestellte Anforderung ist im Hinblick auf den zu vergebenden Auftrag auch nicht unangemessen.“
Das Gericht sieht zwar ein, dass zwar im Inland ansässige Unternehmen nicht über die geforderte Erfahrung in Anbau, Verarbeitung und Lieferung von medizinischem Cannabis verfügen, weil diese Tätigkeit bis vor Kurzem gesetzeswidrig war. Dennoch stehe die Forderung nach der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu dem Gegenstand des Auftrags. Deutsche Bieter würden im Verhältnis zu den ausländischen Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit Cannabis sammeln konnten, in der Teilnahme am Wettbewerb um den zu vergebenden Auftrag nicht unzumutbar beeinträchtigt. Die Richter weisen darauf hin, dass solche Bewerber gemäß § 47 VgV die Möglichkeit hätten, sich hinsichtlich ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit auf die Eignung anderer Unternehmen zu berufen, sogenannte Eignungsleihe.
Voraussetzung hierfür sei aber der Nachweis, dass dem Bewerber oder Bieter die für den Auftrag erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen. Als Beispiel für einen solchen Nachweis nenne das Gesetz die Verpflichtungserklärung des anderen Unternehmens. Darunter ist die verbindliche Zusage eines anderen Unternehmens zu verstehen, dem Bieter die für die Ausführung des Auftrags erforderlichen Mittel uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Entscheidend sei, dass sich das andere Unternehmen nicht ohne weiteres von dieser Verpflichtung lösen kann. Absichtserklärungen oder „Gentlemen Agreements“ reichten deshalb nicht aus. „Der Antragstellerin ist dieser Nachweis nicht gelungen“, so die Richter.
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