Apotheker wollen keine Joints Julia Pradel, 19.09.2015 16:24 Uhr
Die Diskussion um die Legalisierung von Cannabis wird erbittert geführt. Dabei geht es genauso um die medizinische Verwendung wie die generelle Freigabe als Genussmittel. Dass Marihuana sowohl als Arzneimittel als auch als Joint Anwendung findet, macht die Beurteilung der Droge nicht einfacher. In einigen Bundesländern gibt es nun Bestrebungen, Cannabis zu entkriminalisieren. Eine Form könnte die Abgabe der Droge in Apotheken sein.
Mehr als jeder Dritte hat schon einmal im Leben Cannabis konsumiert. Die Zahl der regelmäßigen Konsumenten zwischen 18 und 25 Jahren lag zuletzt bei 4,6 Prozent – und damit deutlich höher als 2008, als 3,1 Prozent regelmäßig Cannabis nahmen. Diese Entwicklung sieht nicht nur die Drogen-Beauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), sondern auch Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), mit Sorge.
Der drogenpolitische Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Blienert, erklärte, die Gründe für den Anstieg seien nicht bei den Befürwortern einer neuen Drogenpolitik zu sehen. „Der Ansatz, durch Repression den Konsum einzudämmen, ist vielmehr krachend gescheitert.“ Er wirbt für „ein Umdenken in der Drogenpolitik“.
In verschiedenen Bundesländern gibt es entsprechende Vorstöße: Bremens Regierungschef Carsten Sieling (SPD) hatte sich als erster Ministerpräsident für eine Legalisierung von Cannabis ausgesprochen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist grundsätzlich für eine Legalisierung von Cannabis, um den Stoff zu entkriminalisieren. Einen freien Verkauf kann er sich aber nicht vorstellen. Auch die Hamburger Landesregierung erwägt, die Gesetzesregeln zum Konsum zu lockern: Justizsenator Till Steffen (Grüne) will das Kiffen zumindest zu einer Ordnungswidrigkeit herabstufen.
Doch über die Frage, ob eine Freigabe von Cannabis als Genussmittel überhaupt sinnvoll ist, wird heftig gestritten. Der Jugendrichter Andreas Müller beispielsweise fordert in seinem Buch „Kiffen und Kriminalität“, den Gesundheits- und Jugendschutz zu verbessern statt Kiffen zu kriminalisieren. Viele Jugendliche würden erst durch das Verbot und die Strafverfolgung zu Opfern. Auch Grünen-Fraktionschef Dr. Anton Hofreiter warnte, dass die Kriminalisierung junge Menschen auf den falschen Weg bringe.
Mortler lehnt die Freigabe hingegen ab. „Cannabiskonsum wird zu sehr verharmlost. Dabei ist es alles andere als harmlos“, sagte sie zuletzt mit Bezug auf die Forderung der rot-grünen Landesregierung nach einer Freigabe. Mortler bezeichnete das Bremer Vorhaben als kontraproduktiv.
In Düsseldorf und Berlin gibt es derzeit konkrete Bestrebungen, die lizenzierte Abgabe von Cannabis zu erlauben. In Berlin hat die Bürgermeisterin des Bezirks Kreuzberg-Friedrichshain, Monika Hermann (Grüne), einen entsprechenden Antrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gestellt. Die Behörde in Bonn kann laut Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eine entsprechende Ausnahmeerlaubnis erteilen, wenn ein „wissenschaftlicher oder anderer im öffentlichen Interesse liegender Zweck“ verfolgt wird.
Der Antrag mit dem Titel „Regulierter Verkauf von Cannabis in Friedrichshain-Kreuzberg“ wurde Ende Juni beim BfArM eingereicht. Mit ihm soll erreicht werden, dass bestimmte Verkaufsstellen eine Ausnahmegenehmigung zur Abgabe von Marihuana an Volljährige, die in dem Bezirk gemeldet sind, erhalten. „Mit einer entsprechenden Lizenz könnten dann auch Apotheken Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken verkaufen“, hieß es beim zuständigen Bezirksamt.
Auch in Düsseldorf ist geplant, eine Sondergenehmigung vom BfArM zu erhalten. Ziel ist eine „streng regulierte Abgabe von Cannabisprodukten, gekoppelt mit Schutz- und Präventionsangeboten, anstelle des heute kriminalisierten, unkontrollierten Handels“, heißt es in dem Antrag der Grünen. Vorstöße, Cannabis zu legalisieren, gibt es außerdem in Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz.
Obwohl es Marihuana vereinzelt in Apotheken geben könnte, gibt sich die ABDA bedeckt. Zu einer Legalisierung von Cannabis als Genussmittel will man sich in der Jägerstraße nicht äußern. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärte im Interview mit der Dumont-Gruppe, man sehe vor allem die gesundheitlichen Risiken und sei eher gegen eine Freigabe. Aber: „Wenn Politik und Gesellschaft den Apothekern diese Aufgabe zuweisen, werden wir sie übernehmen. Ob wir das gut finden oder nicht.“ Freude auf eine neue Aufgabe klingt anders. Vielleicht haben die Apotheker aber auch die Folgen des Drogenkonsums vor Augen – in Form von Substitutionspatienten, die versuchen, ihrer Sucht zu entkommen.
Ganz anders bei der Nutzung der Droge zu medizinischen Zwecken. Denn auch über die Verwendung von Medizinalhanf wird derzeit diskutiert. Seit 2005 können Patienten eine Ausnahmegenehmigung für den Erwerb von Cannabis zu medizinischen Zwecken erhalten. Der Vertrieb ist streng reguliert. Patienten, die eine Ausnahmegenehmigung bei der Bundesopiumstelle (BOPST) beantragen, müssen zunächst eine Apotheke benennen. Auch diese muss über eine Erlaubnis zum Erwerb und zur Abgabe von Cannabis verfügen. Derzeit haben laut BfArM rund 300 Apotheken und 400 Patienten eine solche Genehmigung.
Damit ist das Problem für die Patienten aber noch nicht gelöst. Denn die Krankenkassen müssen Cannabisblüten nicht bezahlen, da es an einer entsprechenden Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) fehlt. Diese sei bei einer neuen Behandlungsmethode aber Voraussetzung für eine Kostenerstattung, bestätigte zuletzt das Landessozialgericht Stuttgart.
Doch Cannabis aus der Apotheke ist teuer. Daher hat das Kölner Verwaltungsgericht im Juli 2014 entschieden, dass Patienten ausnahmsweise privat Cannabis züchten dürfen. Voraussetzung ist laut Gericht, dass es keine Behandlungsalternativen gibt und Apotheken-Cannabis für die Patienten unerschwinglich ist. Das BfArM legte im vergangenen September Berufung gegen das Urteil ein.
Auch die Apotheker sehen die Entscheidung kritisch. Bei einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC im Juli 2014 erklärten mehr als 40 Prozent der Teilnehmer, beim Eigenanbau seien Qualität und Wirkstoffgehalt nicht gesichert und es sei besser, die Krankenkassen würden Cannabis erstatten. Auch Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), warnte, bei einem „Eigenanbau im Wintergarten“ sei die Einhaltung der hohen Qualitätsstandards, die aus Gründen der Arzneimittelsicherheit an Arzneimittel anzulegen seien, nicht gewährleistet. Zu einer Freigabe von Marihuana als Genussmittel wollte er sich aktuell nicht äußern. Eine Legalisierung befürworteten bei der Umfrage 23 Prozent der insgesamt 337 Teilnehmer.
Was Cannabis für medizinische Zwecke angeht, hat die ABDA hingegen eine klare Position, die der geschäftsführende Vorstand auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf zur Abstimmung stellen will: Cannabis für medizinische Zwecke sollte demnach die notwendige pharmazeutische Qualität haben, wie verschreibungspflichtige Medikamente in Apotheken abgegeben und von den Krankenkassen erstattet werden.
Die Landesapothekerkammer Hessen will Cannabis in seiner Ausgangsform am liebsten gar nicht in der Apotheke haben. Dort ist man der Meinung, dass bevorzugt Fertigarzneimittel oder standardisierte Rezepturarzneimittel abgegeben werden sollten. Nur auf diese Weise seien eine bestmögliche pharmazeutische Qualität und eine reproduzierbare Wirksamkeit zu garantieren. Sollten im Einzelfall doch Cannabisblüten benötigt werden, sollten auch diese vom Apotheker abgegeben werden.
Die Evidenz der medizinischen Wirksamkeit von Cannabis ist noch nicht in allen Bereichen geklärt. Die Studienlage sei für viele Indikationen „nicht ausreichend“ und die Qualität der Studien „sehr heterogen“, so das Fazit der hessischen Kammer. Das ist auch das Ergebnis einer Metaanalyse, die das Schweizer Bundesamt für Gesundheit in Auftrag gegeben hatte.
Gute Belege bestehen demnach für die Wirksamkeit von Cannabis bei der Behandlung von chronischen oder durch Krebs verursachten Schmerzen sowie bei Muskelkrämpfen infolge von Multipler Sklerose. Auch bei Übelkeit als Nebenwirkung einer Chemotherapie, bei Gewichtsverlust von Aidskranken, bei Schlafstörungen sowie dem Tourette-Syndrom zeigten sich positive Auswirkungen. Allerdings sind mögliche Nebenwirkungen einer langfristigen Anwendung – insbesondere bei Jugendlichen, die sich noch in der Entwicklung befinden – noch nicht ausreichend erforscht.