Cannabis-Anhörung ohne ABDA Lothar Klein, 28.06.2018 12:16 Uhr
Zuletzt gab es bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Runden Tisch zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Alle relevanten Verbände waren eingeladen – bis auf die ABDA. Gestern ging es in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses um die Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis: Ärzte, Psychotherapeuten, die Drogenhilfe, die Krankenkassen und Sachverständige waren eingeladen. Die ABDA wurde wieder nicht hinzu gebeten. Zur Diskussion standen Anträge von FDP, Linke und Grünen.
Dass eine mögliche Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis umstritten ist, zeigte sich auch in der Anhörung. Die FDP-Fraktion schlägt in ihrem Antrag vor, Modellprojekte für den freien Cannabiskonsum zu ermöglichen. Ziel müsse sein, die Verbreitung von Cannabis zu kontrollieren und den Gesundheits- und Jugendschutz in der Bevölkerung zu verbessern. Die Linke fordert, von einer strafrechtlichen Verfolgung bei Volljährigen abzusehen, wenn es um bis zu 15 Gramm getrocknete Teile der Cannabispflanze oder äquivalente Mengen anderer Cannabiserzeugnisse oder bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum gehe. Zudem wäre eine staatlich kontrollierte Abgabe denkbar.
Die Grünen zielen darauf ab, Cannabis aus den strafrechtlichen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zu lösen. Stattdessen sollte ein kontrollierter legaler Markt für Cannabis eröffnet werden mit einer staatlich regulierten Handelskette. Der Verkauf an Minderjährige wäre verboten, eine Cannabissteuer würde eingeführt.
In der Anhörung argumentierte der Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Justus Haucap, mit der Freigabe von Cannabis könnte dem organisierten Verbrechen die Kontrolle über den Markt wirksam entzogen werden. So ließen sich Nutzer besser schützen, denn Cannabis sei heute auch für Jugendliche problemlos zu bekommen. Drogendealer hätten kein Interesse, Qualität zu verkaufen. Vielmehr würden den Drogen oft extrem schädigende zusätzliche Substanzen beigemischt. Zudem wollten die Dealer ihren Kunden tendenziell härtere Drogen verkaufen, weil dies den Profit steigere. Dies könne dazu führen, dass Konsumenten zu anderen Drogen verleitet würden. Positive Nebeneffekte einer Freigabe wären Steuereinnahmen und Arbeitsplätze, so der ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission.
Der Suchtforscher Professor Dr. Rainer Thomasius erklärte hingegen, das Mehrsäulen-Konzept aus Prävention und Ausstiegshilfen habe sich bewährt. Deutschland verfolge im europäischen Vergleich einen erfolgreichen cannabispolitischen Kurs. Bei einer Legalisierung kämen auf die Gesellschaft enorme Belastungen zu durch konsumbedingte Notfallbehandlungen, Verkehrsunfälle und Suizide. Auch der Schwarzmarkt würde fortbestehen. Zudem wären bei einer Freigabe der Droge vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien gefährdet, weil sie besonders leicht verführbar und suchtgefährdet seien.
Der Rechtsexperte Lorenz Böllinger wandte ein, Cannabis sei heute leichter, in größeren Mengen und billiger zu haben als früher. Der „Krieg gegen Drogen“ sei gescheitert. Abschreckung und Prävention funktionierten nicht. Es sei somit ein Mythos, wonach das BtMG die Volksgesundheit schütze. Vielmehr erzeuge das Gesetz erst den profitträchtigen Schwarzmarkt. Die Folge sei eine Kriminalisierung auch von Nichtkriminellen. Hinzu kämen Kosten in Milliardenhöhe für die Strafverfolgung. Er forderte, die gesetzgeberische und verfassungsrechtliche Legitimation des BtMG zu prüfen.
Der Sachverständige Uwe Wicha, Leiter einer Klinik für Drogenrehabilitation, machte in der Anhörung anhand des Beispiels Alkohol deutlich, was eine Freigabe von Cannabis bewirken würde. Beim Alkohol könne auch nicht von einem kontrollierten Markt und einer sinnvollen Prävention gesprochen werden. Jugendliche sähen in Alkohol schon deswegen kein Problem, weil er legal sei. Das werde bei Cannabis genauso sein.
Auch ein Sprecher der Bundesärztekammer (BÄK) warnte vor der Verharmlosung dieses „hochkomplexen und hochproblematischen Stoffes“, der in immer höherer THC-Konzentration verfügbar sei. Bei einer Freigabe würde es außerdem zu einer riskanten Vermischung des illegalen und legalen Marktes kommen.
Psychiater sahen in Cannabis eine problematische Droge, deren Auswirkungen auf die Psyche noch nicht vollständig erforscht sind. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) verwies auch auf Wechselbeziehungen zwischen dem Cannabiskonsum und der Abhängigkeit von anderen Drogen wie Alkohol, Amphetaminen, Kokain und Nikotin.
Die Anträge werden jetzt im Gesundheitsausschuss weiter beraten und dann mit einer Beschlussempfehlung wieder an den Bundestag gereicht. Dort dürfte sich keine Mehrheit für die Anträge finden. Aktuell diskutiert die Politik über einen einheitliche Obergrenze für Cannabis, bis zu der Strafverfahren eingestellt werden können.
Die Drogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) sagte zuletzt, dies schaffe Klarheit und verhindere einen „Cannabis-Tourismus“ zwischen den einzelnen Bundesländern: „Kiffen ist überall gleich gefährlich.“ Mortler begrüßte es, dass die Länder-Justizminister über eine einheitlich Obergrenze beraten wollten. Es geht um Mengen, die als Eigenbedarf gelten, so dass Verfahren eingestellt werden können. Je nach Land sind es zwischen 6 und 15 Gramm.