Cannabis am Steuer: Neuer Grenzwert in Kraft Laura Schulz, 22.08.2024 08:33 Uhr
Für Autofahrerinnen und Autofahrer gelten jetzt neue Bestimmungen und Bußgelder für Cannabis am Steuer. Dazu zählt ein gesetzlicher Grenzwert für den berauschenden Wirkstoff THC ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol. Wer mit 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) je Milliliter im Blutserum oder mehr unterwegs ist, riskiert künftig in der Regel 500 Euro Bußgeld und einen Monat Fahrverbot. Wird dazu noch Alkohol getrunken, drohen in der Regel 1000 Euro Buße.
Die Verkehrsregelungen kommen begleitend zur teilweisen Freigabe von Cannabis, die Kiffen und privaten Anbau für Volljährige seit 1. April mit vielen Vorgaben zulässt. Das Bundesverkehrsministerium erklärte, das in Kraft getretene Gesetz schaffe Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit besonderen Regelungen für Fahranfänger und junge Fahrer werde ein Beitrag zur Verkehrssicherheit geleistet.
Wie bei Alkohol gibt es in der zweijährigen Führerschein-Probezeit und für Fahrer und Fahrerinnen unter 21 Jahren nun auch ein Cannabis-Verbot – die Grenze von 3,5 Nanogramm gilt also nicht. Bei Verstößen drohen in der Regel 250 Euro Buße.
Bisher galt die strikte Linie, dass schon beim Nachweis von THC Folgen drohten. Dafür gab es keinen Grenzwert, in der Rechtsprechung etablierte sich aber ein Wert von 1 Nanogramm. Beim Verkehrsgerichtstag sprachen sich Experten aber schon 2022 für eine „angemessene“ Heraufsetzung aus. Denn der Wert sei so niedrig, dass viele sanktioniert würden, bei denen sich eine Fahrsicherheitsminderung nicht begründen lasse. Unter anderem von Polizeivertretern kam aber auch Kritik.
Wie sieht der Grenzwert genau aus?
Jetzt gilt: Wer vorsätzlich oder fahrlässig mit 3,5 Nanogramm THC oder mehr je Milliliter Blutserum unterwegs ist, riskiert in der Regel 500 Euro Buße und einen Monat Fahrverbot. Diese Schwelle folgt Empfehlungen einer Expertenkommission des Verkehrsministeriums, wonach ab dann eine sicherheitsrelevante Wirkung „nicht fernliegend“ ist. Vergleichbar sei es mit 0,2 Promille Alkohol und liege klar unter der Schwelle von 7 Nanogramm, ab der eine Risikoerhöhung beginnt.
Gibt es Ausnahmen für Sonderfälle?
Bei THC am Steuer geht es um Cannabiskonsum aller Art, wie im Gesetzentwurf erläutert wird – also Joints, aber auch THC-haltige Speisen, Getränke, Öle und Extrakte. Ausgenommen ist aber, wenn das THC „aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt“. Bei Kontrollen sollten empfindliche Speicheltests „als Vorscreening zum Nachweis des aktuellen Konsums“ eingesetzt werden, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Wenn jemand Anzeichen von Ausfallerscheinungen zeige, sei aber in jedem Fall auch bei negativem Speicheltest eine Blutprobe erforderlich.
Wie sind Wirkungen von Cannabis am Steuer?
Dass Rauschmittel die Fahrtüchtigkeit beeinflussen, ist unbestritten. Bei Cannabis ist die Wirkungsweise aber nicht dieselbe wie bei Alkohol. So ist ein „Herantasten“ an den THC-Grenzwert nicht möglich, wie es im Entwurf heißt. Die Expertenkommission wies auf Studien zur Wirkung hin. Sicherheitsrelevante Effekte treten demnach am stärksten 20 bis 30 Minuten nach dem Konsum auf und klingen nach drei bis vier Stunden wieder ab. Dabei falle bei Konsumenten, die höchstens einmal in der Woche kiffen, die THC-Konzentration in einigen Stunden ab. Bei häufigem Konsum könne sich THC im Körper anreichern und noch Tage bis Wochen im Blut nachweisbar sein.
Welche Einschätzungen zu den neuen Regeln gibt es?
Der Autofahrerclub ADAC hält die Höhe des Grenzwerts für plausibel. „Es gibt bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Verkehrssicherheit dadurch beeinträchtigt werden“, hieß es in einer Stellungnahme für die Beratungen im Bundestag. Wichtig sei aber, keinen falschen Eindruck zu vermitteln. Es gelte: „Wer fährt, kifft nicht!“ Für die Deutsche Polizeigewerkschaft geht der neue Grenzwert in die falsche Richtung. Die alte Schwelle von 1 Nanogramm sei maßvoll und hoch valide, mahnte sie in einer Stellungnahme. „Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wäre vielmehr eine Anpassung der Alkoholgrenzwerte erforderlich gewesen.“