BVerwG: 216 Kilometer sind zu viel Karoline Schumbach, 30.08.2012 16:39 Uhr
Krankenhäuser dürfen sich nur von Apotheken beliefern lassen, die in angemessener Nähe liegen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig entschieden. Für die zeitnahe Belieferung sei die räumliche Nähe zum Krankenhaus zwingend. Denn die Länge des Transportweges bestimme – neben weiteren Faktoren wie etwa der Beschaffenheit der Verkehrsanbindung – die Transportdauer maßgeblich.
Dies gelte auch, wenn im Krankenhaus ein Notfalldepot eingerichtet wird, in dem selten gebrauchte, lebenswichtige Arzneimittel vorgehalten und bei Bedarf an die Stationen im Krankenhaus abgeben werden. Ein solches Depot, das von Gesetzes wegen eine Apotheke nicht ersetzen darf, könne nicht allen denkbaren medizinischen Notfallsituationen Rechnung tragen.
Gerade für Fälle eines plötzlich auftretenden, nicht absehbaren Bedarfs sei die zeitnahe Bereitstellung dringend benötigter Arzneimittel durch die Apotheke sicherzustellen. Bei der Entfernung von 216 Kilometern und einem zudem stauanfälligen Transportweg wie der Autobahn A1 sei eine unverzügliche Medikamentenbereitstellung nicht mehr gewährleistet.
Außerdem könne das Krankenhauspersonal bei derartigen Entfernungen nicht unverzüglich vor Ort durch den Leiter der Apotheke oder einen Vertreter pharmazeutisch beraten werden. Das Urteil ist rechtskräftig, die Begründung wird in den kommenden Wochen erwartet. Zwar gibt es keine Auslegung zu konkreten Entfernungen, dennoch haben die Leipziger Richter klar gemacht, dass die räumliche Nähe entscheidend ist.
Im Februar 2006 hatte das St. Franziskus-Hospital einen Versorgungsvertrag mit dem Krankenhaus St- Joseph-Stift Bremen geschlossen. Die Notfallversorgung sollte über ein entsprechendes Arzneimittellager vor Ort sichergestellt werden. Die zuständige Behörde, das Gesundheitsamt des Kreises Warendorf, genehmigte den Versorgungsvertrag allerdings nicht.
Der Behörde zufolge ist eine persönliche Beratung bei einer Distanz von 216 Kilometern nicht gewährleistet. Auch die Lieferzeit sei zu lang. Anfang 2007 hatte das St. Franziskus-Hospital Klage eingereicht. Das Verwaltungsgericht Münster hatte diese allerdings abgewiesen.
Im Mai 2011 hatte das Oberwaltungsgericht Münster entschieden, dass die räumliche Nähe nicht der ausschlaggebende Faktor für die unverzügliche Belieferung sei. Der Versorgungsvertrag sei daher genehmigungsfähig. Der Kreis Warendorf hatte daraufhin beim BVerwG Revision eingelegt.
Wie weit eine krankhausversorgende Apotheke von einem zu beliefernden Krankenhaus entfernt sein darf, war bislang nicht gesetzlich geregelt. Denn weder im Apothekengesetz noch in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom September 2008 waren konkrete Angaben zur Entfernung gemacht worden.
Bis 2005 war im Apothekengesetz geregelt worden, dass nur direkt angrenzende Bezirke von einer Krankenhausapotheke beliefert werden dürfen. Diese Einschränkung wurde allerdings aufgehoben. Seitdem kann ein Krankenhaus laut ApoG auch von einer Apotheke aus der EU oder EWR beliefert werden.
Allerdings muss die Apotheke die Arzneimittel, die das Krankenhaus zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringend benötigt, unverzüglich zur Verfügung stellen. Zudem soll eine persönliche Beratung sichergestellt werden.