Rx-Versandverbot

Zypries düpiert Gröhe

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Berlin -

Im Koalitionsausschuss hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit seinem Rx-Versandverbot keine Chance. Vor allem das von Brigitte Zypries (SPD) geführte Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) sagte kategorisch Nein. In seiner Stellungnahme zerpflückte das BMWi den Gesetzentwurf – so hart und unverblümt ist wohl selten ein Ressort mit einer Vorlage umgesprungen. Mehr noch: Laut BMWi sieht auch Gröhes Ressort im Rx-Versandhandel keine Bedrohung für die Apotheken.

In Gröhes Gesetzentwurf werde nicht nachgewiesen oder nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Gewährung von Rx-Boni die flächendeckende Arzneimittelversorgung gefährdet sei, kritisiert das BMWi. Auch die Beamten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) seien – anders als immer behauptet – von keiner akuten Gefährdung ausgegangen. Als Beleg verweist das BMWi auf einen internen Vermerk des BMG vom November 2016. Dort werde ausgeführt: „Eine bedrohliche Wettbewerbssituation für die Apotheken vor Ort ist derzeit nicht ersichtlich.“

Alleine die Behauptung einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung rechtfertige den Eingriff in die bestehenden Rechte daher nicht. Der Gesetzgeber, der sich auf die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung berufe, müsse in der Lage sein, die notwendigen Daten zur bestehenden Versorgung und wirtschaftlichen Situation der Apotheken zu beschaffen, kritisiert das BMWi.

Und außerdem hätte Gröhe mit Blick auf sein schnelles Handel darlegen müssen, was in den fast sechs Monaten seit dem EuGH-Urteil tatsächlich im Bestand der ortsgebundenen Apotheken für Veränderungen eingetreten sind. Gleich mehrfach weist das BMWi in seiner Stellungnahme darauf hin, dass der Gesetzentwurf keine Belege für die behauptete Gefährdung oder gar Bedrohung der bestehenden flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln durch das EuGH-Urteil liefere. Weder durch die Ausführungen in Vorblatt noch in der Begründung sei dies „nachvollziehbar belegt“. Den von Gröhe „suggerierten akuten Handlungsdruck“ sieht das Wirtschaftsministerium daher nicht.

Im Kern wirft das Haus von Zypries Gröhe vor, nicht sorgfältig nach einer langfristig tragbaren und zukunftsorientierten Handlungsoptionen gesucht zu haben, die auf einer gesicherten Datengrundlage objektiv bewertet werden könne. Stattdessen gefährde der Gesetzentwurf die wirtschaftliche Existenz der in Deutschland zugelassenen Versandapotheken. Damit stehe auch die Existenz der dazugehörigen Präsenzapotheken auf dem Spiel. Infolgedessen könne es durch den staatlichen Eingriff zu einer Einschränkung und Gefährdung der flächendeckenden Versorgung kommen.

Auch mit Blick auf die von der Bundesregierung in den vergangenen Jahren mit erheblichen Mitteln der Beitragszahler sowie mit Steuermitteln geförderte Digitalisierung des Gesundheitswesens wie die elektronische Gesundheitskarte sei ein Verbot des Rx-Versands nicht nachvollziehbar. Der Versandhandel sei vielmehr wichtiger Bestandteil in einem digitalen Netzwerk. Zudem leisteten die Internetapotheken bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zur individuellen, IT-gestützten Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) – während der Medikationsplan bisher nur auf Papier Standard sei.

Und dann kommt das BMWi zu den „erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken“: Das Versandhandelsverbot sein weder ein geeignetes, noch erforderliches, noch angemessenes Instrument zur Zielerreichung. Das Verbot stelle einen staatlichen Eingriff in ein grundrechtlich geschütztes Verhalten dar. Ein solches Verbot wäre nur zulässig, wenn es einem legitimen öffentlichen Zweck dienen würde und zur Erreichung dieses Zweckes geeignet, erforderlich und angemessen wäre.

Auch europarechtlich sieht das BMWi erhebliche Probleme: Die Erforderlichkeit des Versandhandelsverbots werde in Gröhes Gesetzentwurf nicht nachgewiesen. Die Ausführungen ließen nicht erkennen, dass eine sorgfältige und damit belastbare Prüfung alternativer Handlungsoptionen durchgeführt worden sei. Es fehlten zudem Hinweise, ob die bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln ausreichend seien oder ob diese an die neue Situation angepasst werden könnten.

Aufgrund des bisher sehr geringen Marktanteils der europäischen Versandapotheken im Rx-Bereich trage die Behauptung einer unmittelbar drohenden erheblichen negativen Beeinflussung der Arzneimittelversorgung und damit des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung durch Verdrängungswettbewerb nicht. Das BMG gehe auch nicht darauf ein, dass bereits jetzt Verdrängungswettbewerb zwischen den Apotheken herrsche, da Niederlassungsfreiheit bestehe.

Das BMG lege auch keine empirischen Belege dafür vor, dass der seit 2004 in Deutschland zulässige Versandhandel negative Auswirkungen auf die sichere, flächendeckende Arzneimittelversorgung habe. Ebenso fehlten Nachweise, dass der Wettbewerb durch ausländische Versandapotheken in stärkerem Maße die Anzahl der Präsenzapotheken beeinflusse als die allgemeine demographische Entwicklung, die Fachkräfteproblematik und die Entwicklung der ärztlichen Versorgung.

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