BVerwG erlaubt Apotheke in der Apotheke APOTHEKE ADHOC, 26.02.2015 14:33 Uhr
Apotheken dürfen sich zu Pick-up-Stellen machen: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat heute entschieden, dass eine bayerische Apotheke Arzneimittel von einer ungarischen Apotheke beziehen und auf deren Rechnung abgeben darf. Aus Sicht der Leipziger Richter wurde die Apotheke in ihrer wirtschaftlichen Freiheit nicht eingeschränkt.
Kunden der Alpen-Apotheke in Freilassing konnten seit 2008 ihre Medikamente bei der Europa Apotheke (Európa Gyógyszertár) in Budapest bestellen, die der Familie der deutschen Apothekeninhaberin zuzurechnen ist. Die deutsche Originalware wurde nach Budapest gebracht und anschließend wieder importiert. In der bayerischen Apotheke wurden die Lieferungen bezüglich Unversehrtheit der Verpackung, Verfallsdatum sowie möglichen Wechselwirkungen kontrolliert und dann an den Kunden übergeben.
Die ungarische Apotheke gewährte 10 Prozent auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Auf dem Rezept war der Apothekenverkaufspreis angegeben, die Rechnung wies zusätzlich den Rabatt aus. Die Kunden zahlten in der Alpen-Apotheke, die das Geld auf ein österreichisches Konto des ungarischen Partners überwies. Nach eigener Auffassung war die bayerische Apotheke nur der Dienstleister der ungarischen Apotheke.
Das Landratsamt verbot der Inhaberin der Alpen-Apotheke im Juli 2009, die Preisvorschriften auf diese Weise zu umgehen und einen abweichenden Betrag auf das Rezept zu drucken. Zur Begründung hieß es in dem Bescheid, dass die Klägerin nach den Vorschriften des Apothekengesetzes (ApoG) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) zur persönlichen und eigenverantwortlichen Leitung ihrer Apotheke verpflichtet sei. Sie dürfe deshalb Medikamente nur auf eigene Rechnung abgeben.
Das Verwaltungsgericht gab der Klage der Apothekerin gegen den Bescheid teilweise statt. Auf die Berufung der Klägerin hob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) dieses Verbot insgesamt auf. Das BVerwG hat die Revision der Behörde zurückgewiesen und die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. „Die angefochtene Untersagung ist rechtswidrig“, so die Leipziger Richter.
Die von der Klägerin praktizierte Abgabe von Arzneimitteln auf Rechnung einer fremden Apotheke verstoße nicht gegen die Verpflichtung, die Apotheke persönlich und eigenverantwortlich zu leiten. Die Klägerin nehme ihre pharmazeutische Verantwortung wahr, indem sie die aus Ungarn bezogenen Medikamente auf Eignung, Qualität und Unbedenklichkeit überprüfe sowie die Kunden erforderlichenfalls hinsichtlich Wirkungen und Wechselwirkungen informiere und berate.
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Vertrag, den die Kunden über den Kauf der Arzneimittel schließen, mit der Apotheke in Budapest zustande komme, so das Gericht. Die rechtliche Verantwortung der Apothekerin bleibe davon unberührt. Sie habe nicht nur öffentlich-rechtlich für eine ordnungsgemäße und sichere Arzneimittelabgabe einzustehen, sondern trage „aus dem mit den Kunden geschlossenen Dienstleistungsvertrag auch entsprechende vertragliche Verpflichtungen“.
Das Kooperationsmodell beeinträchtigt die Apotheke aus Sicht der Richter auch nicht in ihrer wirtschaftlichen und unternehmerischen Unabhängigkeit. Ein Verstoß gegen das Verbot, Arzneimittel von einer anderen Apotheke zu beziehen, liege ebenfalls nicht vor. Nach der ApBetrO gilt das Verbot nicht für Arzneimittel, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs beschafft werden. „Das ist hier der Fall, weil die Abgabe von Arzneimitteln an den Endverbraucher zum Kerngeschäft einer Apotheke gehört und die Weitergabe der Arzneimittel von der ungarischen Apotheke an die Klägerin nur auf vorherige Kundenbestellung erfolgt“, so das BverwG.
Die Apothekerin hatte sich mit ihrer Klage schon vor dem Verwaltungsgericht München in einigen Punkten durchgesetzt. Im Berufungsverfahren entschied der VGH, dass die deutsche Apotheke mit der Prüfung der Medikamente auf Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit auch die Abgabe verantworte. Die ungarische Apotheke könne die Leistung zwar abrechnen, die eigenverantwortliche Abgabe der Alpen-Apotheke müsse jedoch auf der Verordnung vermerkt werden. Die Richter unterschieden zwischen der rein wirtschaftlichen Abrechnung und der Abgabe. Mit dem Urteil sei eine „gemischte Lösung“ gefunden worden, hieß es beim VGH auf Nachfrage.
In einem Parallelverfahren hatte bereits der Bundesgerichtshof (BGH) in diesem Fall entschieden: Die Karlsruher Richter werteten das Konstrukt als zulässigen Import von Arzneimitteln. Empfängerin der Lieferungen sei nicht der Endkunde, sondern die zur Einfuhr aus einem EU-Mitgliedstaat berechtigte Apotheke. Für die Frage der Arzneimittelsicherheit sei es unerheblich, auf wessen Rechnung die Arzneimittel vertrieben würden, so der BGH.
Der BGH kam – wie auch der VGH – aber auch zu dem Schluss, dass die gewährten Rx-Boni unzulässig waren. Da die Arzneimittel in der deutschen Apotheke abgegeben wurden, seien auch die hiesigen Preisvorschriften maßgeblich. Das Pick-up-Geschäft wurde zwischenzeitlich ohnehin eingestellt. Angesichts des Rx-Boni-Verbots, das nunmehr auch für ausländische Versandapotheken gilt, dürfte es auch nach dem Urteil aus Leipzig nicht wieder aufleben.