Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sieht aufgrund des aktuellen Urteils des Bundesverwaltungsrichts (BverwG) zwar keinen Grund, in das berufsständische Kammerwesen einzugreifen. In einem mündlichen Bericht für den Gesundheitsausschuss des Bundestages betonte das BMG dem Vernehmen nach jedoch, dass Kammern nur ein berufsständisches, aber kein „allgemeinpolitisches Mandat zukommt“. Auf dieser Basis könnten Kammern im Rahmen ihrer Zuständigkeiten weiter uneingeschränkt an der politischen Meinungsbildung zum Beispiel im Rahmen von Verbändeanhörungen teilnehmen. Zu der Frage der Verwendung der Zwangsbeiträge der Mitglieder äußerte sich das BMG nicht.
In einem Verfahren gegen den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im März den Handlungsspielraum der Kammern begrenzt. Bei Verstößen können Kammermitglieder den Austritt ihrer Kammer aus dem Dachverband verlangen.
Wie in den Apothekerkammern für Apotheker gilt auch für Handel- und Gewerbetreibende eine Pflichtmitgliedschaft in den regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK). Diese haben sich in einem Dachverband (DIHK) zur gemeinsamen Interessensvertretung zusammengeschlossen. Im aktuellen Verfahren vor dem BVerwG ging es um politische Aussagen des DIHK. Dem BVerwG gingen einige Statements zu weit; die Richter sahen die Kompetenz des DIHK überschritten.
Das Urteil bestätige die herrschende Rechtsprechung, dass Kammern kein allgemeinpolitisches Mandat zukomme, hieß es aus Regierungskreisen. Die Zuständigkeit der Kammern ergebe sich aus den Heilberufsgesetzen der Länder. Danach verträten Kammern insbesondere im Rahmen des Gesetzes die beruflichen Belange ihrer Angehörigen unter Beachtung der Interessen der Allgemeinheit.
„Die Grenzen der Aufgabenwahrnehmung sind nach der Rechtsprechung dabei aber nicht zu eng zu verstehen“, hieß es. Die Grenze sei aber überschritten, „wenn insbesondere allgemein- und parteipolitische Betätigungen durch die Kammern erfolgen“. Thematisch eindeutig kompetenzwidrige Tätigkeiten seien den Kammern verboten.
Nach diesen Maßgaben sei immer im Einzelfall zu entscheiden, ob sich das Handeln der Kammer beziehungsweise ihres Dachverbands im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben halte. Soweit aber die Anforderungen an die Art und Weise der Gesamtinteressenwahrnehmung einschließlich Objektivität, Sachlichkeit und Zurückhaltung sowie „Darstellung beachtlicher Minderheitspositionen erfüllt“ seien, „gehört die Teilnahme an Verbändeanhörungen, Teilnahme an Verhandlungen zum Kernaufgabenbereich der Körperschaft“.
Im Verfahren gegen den DIHK billigten die Richter dem klagenden Zwangsmitglied den Anspruch zu, den Austritt seiner IHK aus dem DIHK zu verlangen. Betätige sich der Dachverband in einer Weise, die „faktisch seine Aufgaben und zugleich den Kammerkompetenzrahmen seiner Mitgliedskammer überschreitet“, ergebe sich aus dem Grundgesetz ein Anspruch jedes Kammermitglieds auf Austritt seiner Kammer aus dem Dachverband, heißt es im Urteil.
Allgemeine Stellungnahmen des DIHK zur Themen der Energiepolitik sahen die Richter im Rahmen des Zulässigen. Einseitige Aussagen gegen eine Erhöhung des Marktanteils von erneuerbaren Energien oder Statements gegen den Ausstieg aus der Atomkraft gingen jedoch zu weit.
Für unzulässig hielt das Gericht auch Aussagen zu bildungs- steuer-, und rentenpolitischen Fragen, zum Hochwasserschutz und zur Situation in der Republik Südafrika nach dem Tod des ehemaligen Staatspräsidenten Nelson Mandela. Solche Aussagen seien durch den berufsständischen Kammerauftrag nicht gedeckt.
Nach Ansicht von Kai Boeddinghaus vom Bundesverband für freie Kammern (BffK) ist das Urteil übertragbar auf die Verwendung der Kammerbeiträge: „Die Regel, dass sich Kammern und ihre Verbände nur im Rahmen des geltenden Rechts bewegen dürfen, gilt in gleicher Weise für das operative Geschäft.“ Hier seien insbesondere die vielfältigen gewerblichen Aktivitäten unter dem Dach der ABDA, „die wohl zumindest in Teilen aus Zwangsbeiträgen finanziert oder abgesichert werden, in den Blick zu nehmen“. Zur Frage der Abgrenzung der Mittelverwendung äußerte sich das BMG im Bericht an den Gesundheitsausschuss nicht.
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