Rabattverträge, Sparpolitik und Hürden in der Forschung: Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt hat der neu gewählte Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Dr. Martin Zentgraf, kaum ein Thema ausgelassen. Gestern war der Geschäftsführer des Hamburger Herstellers Desitin zum neuen BPI-Chef ernannt worden, er folgt damit auf Dr. Bernd Wegener.
Für Zentgraf ist es „nicht akzeptabel“, dass Forschung an bewährten Wirkstoffen durch die Rahmenbedingungen nahezu unmöglich gemacht werde. Fortschritt vollziehe sich in Schritten – doch im Arzneimittelbereich werde dieser Fortschritt negiert oder sogar diskreditiert. Zentgraf fordert ein Austauschverbot und einen verlängerten Unterlagenschutz für diese Innovationen.
Auch hinsichtlich der Rabattverträge fordert Zentgraf Veränderungen: Nach Ablauf eines Patents bis zur ersten Ausschreibung sollte es demnach eine Karenzzeit von anderthalb Jahren geben. „Wenn ich mit dem ersten Stichtag, Ablauf des Patentes, Rabattverträge ausschreibe, werde ich die Angebotsvielfalt deutlich minimieren“, so Zentgraf. Dies führe nicht zu Wettbewerb, sondern zu Oligopolisierung.
Bei Arzneimitteln für lebensbedrohliche, schwerwiegende und seltene Krankheiten sollte aus Sicht des BPI ganz auf Ausschreibungen verzichtet werden, ebenso bei kritischen Indikationen und Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite. Auch wenn es weniger als vier Anbieter im jeweiligen Marktsegment gebe, solle auf Rabattverträge verzichtet werden. Es sei „bedenklich und gefährlich“, dass versucht werde, „das Ausschreibungsinstrument zwanghaft in Märkte zu pressen, in denen es keinen Platz hat“, so der BPI mit Blick auf Impfstoffausschreibungen.
Hoffnung besteht nach Ansicht von Wegener in dem von der Bundesregierung angekündigten Dialog: Wegener forderte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf, dieses Versprechen ernst zu nehmen. Gröhe solle verstehen, „dass unsere Interessen nicht die Interessen einer unmoralischen Industrie sind, die an Gesundheit beziehungsweise Krankheit verdienen will, sondern berechtigte Interessen eines Industriezweigs, der Geld verdienen will und muss“.
Wer die Produktion in Deutschland sichern und nachhaltig stärken wolle, komme um die Frage des Geldes nicht herum, sagte Zentgraf. „Wir haben seit Jahren eine derartig rigide Sparpolitik und Kostendämpfung, dass insbesondere die standortgebundene Industrie an ihrer Belastungsgrenze angekommen ist.“ Für ihre Arbeit erwarte die pharmazeutische Industrie Respekt. „Und Respekt drückt sich auch darin aus, dass unsere Arzneimittel einen fairen und anständigen Preis erhalten“, so Zentgraf.
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