Die Wiederwahl von SPD-Fraktionsvize und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hängt an einem seidenen Faden: Vor vier Jahren holte Lauterbach das Direktmandat in seinem Köln/Leverkusener Wahlkreis mit dem knappen Vorsprung von 4000 Stimmen. Aktuell sieht die Umfrageplattform election.de den CDU-Kandidaten Helmut Nowak knapp vorne. Zur Hilfe kommt Lauterbach jetzt eine Bürgerliste mit einem umstrittenen Deal. Die zieht ihren eigenen Kandidaten zurück, weil Lauterbach deren Positionen übernehmen soll.
Vor zwei Wochen hatte die Bürgerliste Leverkusen ihren Bundestagskandidaten Daniel Werner vorgestellt. Der hätte Lauterbach angesichts des knappen Rennens wichtige Stimmen abjagen können. Verliert Lauterbach seinen Wahlkreis, fliegt er aus dem Bundestag, weil er nicht über einen aussichtsreichen Platz auf der SPD-Landesliste Nordrhein-Westfalen abgesichert ist. Wie der Kölner Stadtanzeiger nun berichtet, will Werner auf seine Kandidatur verzichten und die Bürgerliste dazu aufrufen, den SPD-Abgeordneten Lauterbach zu wählen.
Das sei das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem SPD-Bewerber und Vertretern der Bürgerliste, so die Zeitung. Im Gegenzug solle Lauterbach sich für eine „Kombilösung“ beim Autobahnausbau engagieren, die einen langen Autobahntunnel vom rechtsrheinischen Bürgerbusch aus unter dem Rhein hindurch bis Köln-Merkenich als Ersatz/Ergänzung für die stark befahrene Rheinbrücke vorsieht. Lauterbach soll sich dafür einsetzen, dass diese Variante genauer geprüft wird. Der Kölner Autobahnring gehört zu den meistbefahrenen Abschnitten in Europa und sorgt bei den Leverkusener Bürgern für entsprechenden Ärger.
Lauterbach seinerseits hatte mehrfach auf die dadurch verursachte hohe Feinstaub-Belastung der Luft in Leverkusen und die damit verbundenen Gesundheitsgefahren hingewiesen. Wie der Kölner Stadtanzeiger weiter berichtet, hatte die Bürgerliste mit der Kandidatur Werners Druck auf Lauterbach aufgebaut.
Denn vor vier Jahren lag der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag in Leverkusener Teil seines Wahlkreises bereits hinter seinem CDU-Herausforderer Nowak. Erst die klare Stimmenmehrheit im Kölner Stadtteil Mülheim, der mit Leverkusen zusammen den Wahlkreis 101 bildet, hatte ihm das Direktmandat beschert.
Der Deal mit der Bürgerliste ist laut Zeitungsbericht umstritten. Im Bürgerlisten-Lager habe danach die Einschätzung den Ausschlag gegeben, dass ein eigener Bewerber gegen Lauterbach indirekt die Chancen Nowaks (CDU) erhöhen würde, den Wahlkreis zu gewinnen. Nowak aber hätte sich mehr und mehr als Gegner der Autobahnpolitik der Bürgerliste profiliert, während Lauterbach inzwischen weitgehend ihre Positionen übernommen habe.
Umstritten sei dieser Kompromiss wohl auch in der SPD, weiß der Stadtanzeiger. Während die Parteiführung eher geneigt gewesen sei, einen Kompromiss zu finden, der ein Kippen des Wahlkreises vielleicht verhindern könnte, sei aus der SPD-Ratsfraktion Widerspruch dagegen gekommen: Man dürfe solch einer Erpressung durch die Bürgerliste nicht nachgeben und sich vorführen lassen.
Unter Druck ist Lauterbach in seinem Wahlkreis zudem, weil dort der Kölner Apotheker Gunnar Witzmann für die AfD kandidiert: Das könnte Lauterbach ebenfalls wichtige Stimmen kosten. Bei der NRW-Landtagswahl büßte die SPD nämlich dort besonders viele Stimmen ein, wo die AfD ihre besten Ergebnisse erzielte. Unter den Arbeitern verlor die Partei im Vergleich zur Wahl 2012 mit acht Prozentpunkten deutlich an Zustimmung, während die AfD in dieser Gruppe insgesamt 17 Prozent erreichte und damit deutlich überproportional abschnitt, ergab eine Auswertung der Wählerwanderung. Der Kölner Stadtteil Mülheim ist ein Arbeiterbezirk.
Setzt sich dieser Trend am 24. September fort, muss sich Lauterbach ernste Sorgen um sein Direktmandat machen. Denn bereits bei Landtagswahlen in NRW gab es in Leverkusen eine Überraschung. Dort siegte CDU-Kandidat Rüdiger Scholz nach längerer Zeit mal wieder über die SPD.
Anders als andere prominente SPD-Politiker ist Lauterbach über die Landesliste der NRW-SPD nicht abgesichert. Dort rangiert Lauterbach auf Listenplatz 58 auf einem aussichtslosen Rang. Bei der letzten Bundestagswahl kamen 28 SPD-Bundestagsabgeordnete über die Liste ins Parlament.
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