Manchmal muss man die Mathematik zur Hilfe nehmen, um die Wahlaussichten von Bundestagskandidaten zu beurteilen. Es geht um Brutto- und Netto-Chancen – vor allem bei der CSU: Weil die Kandidaten in den Wahlkreisen des Freistaates normalerweise alle Direktmandate gewinnen, gibt es auf der Landesliste nur wenige sichere Plätze: Der Gesundheitspolitiker Reiner Meier hat einen davon. Obwohl er erst auf Listenplatz 30 gesetzt ist, hat er alle Chancen auf Rückkehr in den Bundestag. Das wird die Apotheker freuen, denn Meier hat sich in den letzten Monaten intensiv nicht nur für das Rx-Versandverbot stark gemacht.
Nicht zuletzt ist es auch dem Abgeordneten aus dem bayerischen Tirschenreuth zu verdanken, dass das Rx-Versandverbot doch noch ins Wahlprogramm von CDU und CSU aufgenommen wurde. Anders als die CDU steht die CSU geschlossen hinter dem Gesetzesvorstoß von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe als Antwort auf das EuGH-Urteil vom 19. Oktober. Und wie es aussieht, kann Meier seine Arbeit als Gesundheitspolitiker im Bundestag nach der Wahl am 24. September fortsetzen.
Auf Platz 1 der CSU-Liste steht Joachim Hermann – bislang Bayerns Innenminister. Ihn will CSU-Chef Horst Seehofer als Statthalter nach Berlin schicken. Die auf den weiteren 24 Plätzen der Landesliste folgenden Politiker kandidieren allesamt für ein Direktmandat und haben gute Aussichten, dieses zu gewinnen. Auf Brutto-Platz 30 steht Meier. Damit steht er netto auf Platz 6 der CSU-Landesliste.
Bei der Bundestagswahl 2013 holte die CSU 49,3 Prozent der Wählerstimmen und alle 45 bayerischen Direktmandate. Wegen des guten Ergebnisses rückten von der Liste weitere elf Kandidaten ohne eigenen Wahlkreis nach, darunter Meier. Da Bayern aufgrund seines Bevölkerungswachstums für die Bundestagswahl im Herbst einen zusätzlichen Direktwahlkreis zugesprochen bekommen hat, würde ein Ergebnis von 49,6 Prozent rechnerisch für zehn Listenkandidaten reichen – also erneut für Meier.
Voraussetzung für den Erfolg von zehn Listenkandidaten ist aber, dass sich alle 46 Direktkandidaten in ihren Wahlkreisen durchsetzen. Denn jedes einzelne Scheitern eines vor Meier auf der Liste abgesicherten Direktkandidaten würde nach hinten einen Listenplatz wegknabbern. Genauso wäre es bei einem schlechteren Wahlergebnis als 2013, als es die AfD als Konkurrenten um die Wählerstimmen noch nicht gab. Zuletzt sahen Umfragen die CSU für die Bundestagswahl bei rund 45 Prozent. Bei einem solchen Ergebnis könnte es selbst für Meier eng werden. Die aktuellste Umfrage gibt der CSU aber wieder rund 49 Prozent – dann reicht es sicher für eine Rückkehr.
Dass Meier nicht um ein Direktmandat kämpft, liegt an der Arbeitsteilung in der CSU. Der Gesundheitspolitiker kandidiert als „Spitzenkandidat“ der CSU Arbeitsgemeinschaften für Senioren, Arbeitnehmer sowie Gesundheit und Pflege. Weil Meier damit landesweite Themen besetzt, kandidiert er nicht in seinem Wahlkreis für das Direktmandat.
In den letzten Monaten hat sich Meier besonders für die Apotheker ins Zeug gelegt: Auf die Forderung des GKV-Spitzenverband und des AOK-Bundesverband nach einer Abschaffung des Fremdbesitzverbots, reagierte CSU-Politiker mit einem klaren Nein: Das wäre „Wahnsinn“, sagte Meier. Die Abschaffung des Fremdbesitzverbots und der Versandhandel von Arzneimitteln seien „ein Irrweg“. Man dürfe die Arzneimittelversorgung nicht für gewerbliche Investoren freigeben. „Dann bezahlen die Versicherten die Rendite der Investoren und müssen zugleich erleben, wie unrentable Gemeinwohlaufgaben zurückgefahren werden. Das hat mit Versorgung nichts mehr zu tun.“
Statt Ketten zuzulassen, müssten die Apotheken „zukunftsfähig und patientenorientiert“ weiterentwickelt werden, so Meier. „Die Forderungen der Kostenträger offenbaren eine eingeengte Betrachtungsweise auf die Apotheken in Deutschland. Apotheken sind keine bloßen Abgabestellen für Medikamente, sondern tragen vielfältige Verantwortung für die Patienten und die Medikationssicherheit“, so der Bundestagsabgeordnete.
In diesem Licht müsse das Fremdbesitzverbot gesehen werden: „Genauso wie Ärzte und Rechtsanwälte sind Apotheker Angehörige der freien Berufe. Sie nehmen ihre öffentlichen Aufgaben auch im Interesse der Allgemeinheit wahr. Dieses Leitbild ist in Gefahr, wenn wir zulassen, dass Verantwortung und wirtschaftliche Interessen auseinanderfallen.“
Genauso deutlich wandte sich Meier erneut gegen den Rx-Versandhandel. „Die Kundenzahlen des Versandhandels haben in den letzten Monaten teils dramatische Steigerungen gezeigt. Wer immer noch behauptet, der Versandhandel stelle keine Gefahr für die niedergelassenen Apotheken dar, ist unbeschreiblich naiv.“ Insbesondere nehme der Versandhandel keine Gemeinwohlaufgaben wahr: „Mit jeder Apotheke, die vor Ort wegbricht, verlieren wir eine Stütze für Nacht- und Notdienste. In ländlichen Regionen ist das ortsnah kaum zu kompensieren.“
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