Noch ist nicht entschieden, wer in Berlin künftig das Sagen hat. Die meisten Beobachter gehen von einer Großen Koalition aus – mit Angela Merkel als Kanzlerin. Dann beginnt schon das große Rätselraten: Frank-Walter Steinmeier wieder als Außenminister und Vizekanzler? Wer bekommt wie viele Ministerien und welche? Und für die Apotheker interessant: Wer wird Gesundheitsminister?
Mit dem Ausscheiden der FDP aus der Regierung werden formal Außen-, Justiz-, Wirtschafts-, Gesundheits- und Entwicklungsministerium frei. Weil die SPD aber deutlich besser abgeschnitten hat als die Liberalen vor vier Jahren, könnte sie in einem schwarz-roten Bündnis mehr Mitsprache verlangen. Doch auch die CSU tritt mit neuer Kraft an.
Angenommen, Peter Friedrich bliebe Innenminister, hätten die Bayern ihr erstes wichtiges Ministerium. Wolfgang Schäuble (CDU) dürfte so oder so Finanzminister bleiben. Bliebe für die Sozialdemokraten also das Justizministerium als weiteres Schlüsselressort.
Bei den sozialpolitisch ausgerichteten Ministerien wird es ebenfalls spannend: Ursula von der Leyen (CDU) hinterlässt als Arbeits- und Sozialministerin ein gutes Profil, auch für ihre Partei. Auch wenn sie schon vor vier Jahren als mögliche Nachfolgerin von Ulla Schmidt (SPD) gehandelt wurde: Bei einem Wechsel in die Friedrichstraße hätte sie vermutlich mehr zu verlieren als zu gewinnen. Andererseits: Die Kassen sind gefüllt, in der neuen Legislatur droht der Gesetzlichen Krankenversicherung kein Desaster.
Die SPD wird vermutlich eher Anspruch auf Familien-, Bildungs- oder Verbraucherschutzministerium erheben als auf das Gesundheitsministerium – zumal Schattenminister Professor Dr. Karl Lauterbach zwar sein Bundestagsmandat geholt hat, aber auch in seiner Partei nicht überall als ministrabel, wenn auch weitgehend alternativlos gilt.
In der Familienpolitik hatte Kristina Schröder (CDU) nicht immer eine gute Figur gemacht und schon erklärt, nicht mehr weiterzumachen. Im Forschungsministerium war Johanna Wanka (CDU) erst in diesem Jahr nachgerückt, nachdem Merkel mit Annette Schavan eine ihrer wichtigsten Mitstreiterinnen verloren hatte. Das Landwirtschaftsministerium wird frei, weil Ilse Aigner (CSU) nach Bayern strebt.
Wagt man in Sachen Gesundheitsministerium den Blick in die Glaskugel, hilft womöglich die Betrachtung über die Landesverbände weiter. Wenn Schäuble aus dem Landesverband Baden-Württemberg gesetzt ist, verschlechtern sich die Chancen für Annette Widmann-Mauz, das Gesundheitsministerium zu übernehmen – zumal sie außerdem als Staatssekretärin wenig in Erscheinung getreten war.
Die norddeutschen Länder haben mit von der Leyen eine starke Ministerin im Amt. Der neue Gesundheitsminister könnte, sofern die Union ihn stellt, also aus Nordrhein-Westfalen oder Bayern kommen.
Für Jens Spahn spricht neben seiner Mitgliedschaft im starken NRW-Landesverband und seiner bisherigen Rolle als gesundheitspolitischer Sprecher sein gutes Abschneiden im Wahlkreis. Gegen ihn spricht, dass ihm, etwa im Vergleich zu Landeschef Armin Laschet, noch politisches Gewicht fehlt. Im Wahlkampf jedenfalls hatte er sich – sonst nicht gerade bekannt für mangelndes Selbstbewusstsein – selbst nicht besonders interessiert gegeben. Laschet hingegen ist einer der Stellvertreter von Merkel und war zuletzt in den Medien präsent.
Als möglichen Überraschungskandidaten à la Rösler vor vier Jahren sehen Beobachter auch Josef Hecken. Der ehemalige Superminister im Saarland (DocMorris) baut zwar gerade den Gemeinsamen Bundesausschuss nach seinen Vorstellungen um. Doch bekanntlich macht Hecken regelmäßig nur kurz Station: Seit 2008 war er schon Chef des Bundesversicherungsamtes sowie Staatssekretär in Arbeits- und Familienministerium.
Die Zeiten, als die CDU den Gesundheitsminister stellte, sind allerdings schon eine ganze Weile her. Dagegen hatten die Bayern in der Kohl-Regierung seit 1991 das Gesundheitsressort besetzt, zuletzt mit Horst Seehofer, davor mit der heutigen Spitzenkandidatin Gerda Hasselfeldt. Denkbar wäre es, dass die Christsozialen wieder Anspruch auf das Ministerium erheben würden, um im Bund die sozialpolitische Karte zu spielen.
Neben dem ehemaligen bayerischen Gesundheitsminister Markus Söder, der derzeit Finanzminister im Freistaat ist, käme vor allem Johannes Singhammer infrage. Als Fraktionsvize war er zuletzt für das Thema zuständig; er gilt als Mister Notdienstpauschale und kämpft gegen ordnungspolitische Verwerfungen wie DrEd.
„Ich denke, die Apotheker wissen schon, was sie an mir haben“, sagte Singhammer selbstbewusst, als die Apothekenbusse Spahn vor einigen Wochen in Bedrängnis zu bringen drohten. Gestärkt hat ihn, dass er nun auch noch seinen schwierigen Wahlkreis direkt geholt hat.
„Würde das Gesundheitsministerium frei werden, würde die CSU zugreifen“, hieß es vor der Wahl aus Singhammers Umfeld. Jetzt ist es frei. Es kann zugegriffen werden.
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