Bundestagswahl

Lindners FDP: Partei der Besserangezogenen Lothar Klein, 16.08.2017 12:53 Uhr

Berlin - 

Sechs Wochen vor der Bundestagswahl zeichnet sich eine spannende Regierungsbildung ab. Laut aktuellen Umfragen dürfte es keine klaren Mehrheiten für die klassischen Konstellationen geben. Eine Neuauflage der vor vier Jahren krachend abgewählten Union-FDP-Koalition ist aber durchaus in Reichweite. Hier könnten allerdings die sogenannten Überhangmandate am Ende den Ausschlag geben.

Nach der aktuellen Umfrage des ZDF-Politbarometers kommt die Union auf 40 Prozent, die SPD würde abgeschlagen 24 Prozent erhalten. Grüne, Linke, FDP und AfD jeweils acht Prozent. Vier Prozent entfallen auf andere Parteien, die dann nicht im Bundestag vertreten wären. Ein Bündnis von Rot-Rot-Grün hätte danach gemessen an den Prozentwerten ebenso keine Mehrheit wie Union und FDP.

Obwohl man in der Union nicht die besten Erinnerung an die gemeinsame Regierungszeit mit den damals vom inzwischen verstorbenen FDP-Chef Guido Westerwelle dominierten Liberalen hat, steht ein neues Bündnis mit den Freien Demokraten auf der politischen Prioritätenliste ganz weit oben. Ein Bündnis mit einem kleineren Partner verspricht nicht nur mehr Minister- und Staatssekretärsposten, kleine Koalitionspartner gelten auch als „biegsamer“. Zudem – will die Union eine Neuauflage der Großen Koalition vermeiden – wäre der Weg zu einem Bündnis mit den Grünen in den eigenen Reihen womöglich schwerer zu vermitteln als mit dem angestammten und langjährigen Partner FDP.

Allerdings – mit welcher FDP würde sich die Union überhaupt einlassen? Noch stärker als Westerwelle zuvor hat FDP-Chef Christian Lindner die Partei auf seine Person zugeschnitten, zu einer One-Man-Show gestaltet. Hinter und neben Westerwelle standen 2009 noch Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel, Gerhard Baum und Burkhard Hirsch. FDP-Übervater Genscher ist verstorben und die anderen Granden der Partei leben im selbstgewählten politischen Exil. Lindner ist die FDP und hinter Linder steht zumindest bislang kein sichtbares Team.

Entsprechend konsequent hat die FDP ihren Bundestagswahlkampf auf den Alleinunterhalter zugeschnitten. Schon die Plakate drücken das aus: Weißes Hemd vor weißem Hintergrund. Ein frisch frisierter Mann schaut in Modelpose nach unten, es sieht so aus, als mache er sich gerade die Manschettenknöpfe zu, um anschließend in den Arbeitstag zu starten. Das Gesicht ist markant beleuchtet, der Drei-Tage-Bart verstärkt die Gesichtskonturen. Die Ästhetik erinnert an Modefotografie, so verkauft die FDP ihren Spitzenmann.

Doch Polit-Model Lindner will eigentlich keine Designerklamotten verkaufen, sondern die FDP mindestens in den Bundestags zurück bringen, aus dem sie vor vier Jahren ausgeschieden waren. Ähnlich wie früher bei Westerwelle zählt in der Lindner-FDP Effekthascherei mehr als das politische Programm. Das heißt Christian Lindner. Die gnadenlose Inszenierung des Spitzenkandidaten kommt nicht überall gut an und hat der FDP schon Frotzeleien eingetragen: Ist aus der ehemaligen „Partei der Besserverdienenden“ jetzt die „Partei der Besserangezogenen“ geworden?

Auch mit provokanten Themen sucht Lindner wie einst Westerwelle die mediale Öffentlichkeit. Mal erklärt er Angela Merkel schon zur nächsten Bundeskanzlerin, dann will der die Halbinsel Krim entgegen der einheitlichen Linie des Westens Russlands Präsidenten Wladimir Putin überlassen. Der reflexartige Protest ist Lindners Kalkül und sichert Aufmerksamkeit. Aber kann jemand, der so daher redete, später Außenminister werden?

Womit das zentrale Problem der FDP getroffen ist: Sollte der FDP nicht nur ihr Bundestags-Comeback gelingen, sondern sie gleich wieder auf den Regierungsbänken landen, wer würde dort Platz nehmen? Christian Lindner mit Sicherheit. Nach der Logik früherer Koalitionsbildungen könnte Lindner das Außenministerium beanspruchen. Über Regierungserfahrung verfügt er nicht. Das hat schon vor acht Jahren kein gutes Ende genommen.

Aber welche Politiker könnte die FDP für andere wichtige Positionen aufbieten? Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag 2009 haben sich die meisten bekannten FDP-Politiker neue Aufgaben und Jobs gesucht. Ex-Gesundheitsminister Daniel Bahr ist bei der Allianz Krankenversicherung im Vorstand angekommen. Dass es ihn von dort noch einmal in die Politik zurück zieht, ist kaum anzunehmen.

Und der frühere FDP-Chef Philipp Rösler fühlt sich wohl als Vorstand des Davoser Weltwirtschaftsforums. Mehr als 100.000 Meilen im Monat jettet er um die Welt und ist erleichtert, dass er in der Presse keinen kritischen Bericht mehr über sich lesen muss. Ein Comeback Röslers steht nicht zu Diskussion: „Aber dass man die Möglichkeiten, die Welt zu gestalten, beim Weltwirtschaftsforum noch vervielfachen kann, das hatte ich nicht erwartet, das ist sehr erfüllend. Es macht mir jeden Tag Freude, herzukommen“, sagte er kürzlich in einem Interview mit der „Zeit“.

Und sonst: Ministrable Namen sind Mangelware. Aber mehr noch: Auch hinter den in einer Koalition der FDP womöglich zustehenden drei bis vier Ministerposten, ist die Personaldecke der FDP überaus löchrig. Es müssten Staatssekretäre her und eine komplett neue Fraktion mit mehreren hundert Mitarbeitern aus dem Boden gestampft werden. Bis so eine Koalition handlungsfähig wäre, würde seine Zeit brauchen. Manche in der Union sehen darin eine Chance. Man könne mir so einer FDP leichter regieren, heißt es. Andere wittern genau darin unkalkulierbare Risiken. Und wenn am Ende die FDP sogar wieder das Gesundheitsministerium erhielte: Ein Rx-Versandverbot wäre kaum mit einem FDP-Minister durchsetzbar.