Immer wenn es in den vergangenen vier Jahren im Bundestag um Apotheken- oder Arzneimittelfragen ging, war CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich mit von der Partie. Daran soll sich, wenn es nach ihm geht, auch nach der Bundestagswahl am 24. September nichts ändern. Als Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Gesundheitsausschuss würde er gerne seine Arbeit fortsetzen. Als eines der wichtigsten Themen der nächsten Wahlperiode sieht Hennrich die Reform des Apothekenhonorars. Dabei gehe es um einen „Paradigmenwechsel“.
Zunächst aber muss Hennrich dazu seinen Wahlkreis Nürtingen verteidigen – den hat er vor vier Jahren mit 51 Prozent klar vor dem SPD-Kandidaten gewonnen. Aber die Zeiten ändern sich. Jetzt muss sich Hennrich seiner politischen Haut erwehren. Der CDU-Politiker ist wie Karl Lauterbach (SPD) nicht über die Landesliste abgesichert. Das war bislang nicht nötig.
Aber in Nürtingen muss sich Hennrich jetzt harter Konkurrenz stellen. Für die SPD kandidiert dort Dr. Nils Schmid, bis zur Wahlniederlage bei der Landtagswahl im letzten Jahr Landesvorsitzender seiner Partei. Und auch die Grünen haben die Jagd auf die Erststimmen mit prominenter Unterstützung gestartet: In Nürtingen ist der populäre grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Hause. Trotzdem ist Hennrichs Sieg nach der Erststimmenprognose von election.de ziemlich sicher.
Er sei „vollkommen entspannt“, so Hennrich im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC. Das gilt nicht nur für seinen Wahlkreis – auch für die anschließende Regierungsbildung. Eine richtige Koalitionspräferenz hat er nicht: „Da bin ich leidenschaftslos.“ Mit der FDP könne man bestimmt vieles gut regeln. Ob das allerdings für die Durchsetzung eines Rx-Versandverbotes auch gilt, da hat er seine Zweifel. Sonst stehe die FDP erneut als Umfaller- und Klientelpartei am Pranger.
Auch die Fortsetzung der Koalition mit der SPD kann er sich vorstellen: „Die Zusammenarbeit mit der SPD in der Gesundheitspolitik war angenehm.“ Der monatelange Streit um das Rx-Versandverbot ändert daran nichts. Schließlich kennt Hennrich einige Stimmen in der SPD, die dabei mitgemacht hätten.
Nicht so entspannt sieht Hennrich die Ausgangslage für die Apotheken für die nächste Wahlperiode: „Wir stehen beim Apothekenhonorar vor einem Paradigmenwechsel“, so Hennrich. „Wir brauchen neue Instrumente. Mit dem bisherigen Packungshonorar kommen wir nicht mehr zurecht.“ Darüber, wie es mit dem Apothekenhonorar weitergehen soll, hat er noch keine abschließende Meinung. Aber auf jeden Fall müsse sich etwas ändern, um die ländliche Versorgung zu sichern: „Auch ein Sicherstellungszuschlag ist eine Option“, sagt Hennrich. Diesen haben die Grünen und die FDP bereits ins Gespräch gebracht.
Hennrich: „So etwas kennen wir schon im Krankenhausbereich und bei den Landärzten. Wir müssen die Honorarreform vom Ziel her denken.“ Die flächendeckende Versorgung mit Vor-Ort-Apotheken will der CDU-Politiker erhalten. Nur Bedarfsplanung ist dabei für Hennrich tabu: „Ich mache mir Sorgen um die Apotheken in Gemeinden unter 20.000 Einwohnern.“ Vorstellen kann sich Hennrich auch Honorarkomponenten wie von der ABDA gefordert für Beratung und Prävention. Aber nicht mit der Gießkanne für alle Apotheken: „Das müssen wir gezielt einsetzen.“ Im Klartext: Es kann unterschiedliche Honorare je nach Lage der Apotheken geben.
Wichtig ist Hennrich dabei eines: „Wir müssen der nachrückenden Apothekergeneration eine Perspektive für die Selbständigkeit anbieten.“ In vielen Apotheken stehe in den nächsten Jahren der Generationswechsel an: „Da müssen wir Klarheit schaffen.“ Deshalb sieht Hennrich raschen Handlungsbedarf für die neue Bundesregierung. In zwei bis drei Jahren muss das neue Apothekenhonorar kommen. „Sonst gefährdet auch der Versandhandel die Landapotheken immer stärker“, so Hennrich.
Im Wahlkampf spielt das Thema Gesundheit und die Existenznot der Apotheken nach Hennrichs Eindruck aber keine große Rolle: „Das bewegt die Leute nicht.“ Trotzdem will er sich im nächsten Bundestag dafür einsetzten, dass das Thema Lieferengpässe noch einmal auf die Tagesordnung kommt. „Auch um die explodierenden Preise für Krebstherapien müssen wir uns kümmern“, so Hennrich.
Beim Thema E-Health sieht der CDU-Politiker ebenfalls Handlungsbedarf. Der enorme technische Fortschritt lasse die Frage aufkommen, ob die Technik der elektronischen Gesundheitskarte eGK noch „zeitgemäß“ sei.
Auch ein anderes gesundheitspolitisches Tabu will Hennrich anpacken: die private Krankenversicherung. Die ambulante ärztliche Versorgung funktioniere so nicht mehr. Die neuen Terminservicestellen verkürzten die Wartezeiten für Kassenpatienten auf einen Facharzttermin nicht wie erhofft. Das Nebeneinander der unterschiedlichen Arzthonorare für Kassen- und Privatpatienten sein „nicht mehr zeitgemäß“, rüttelt Hennrich an den Grundfesten der Ärzteschaft.
Das sind viele Themen für den Arzneimittelexperten der CDU/CSU-Fraktion: Doch nach größeren Herausforderungen strebt Hennrich in der Berliner Politik nicht. Den durch den Rückzug von Maria Michalk (CDU) frei werdenden Posten des gesundheitspolitischen Sprechers der Unionsfraktion hat er nicht im Blick – und dafür gute Gründe.
Im Land der Häuslebauer ist Hennrich der Vorsitzende des Landesverbandes der Haus- und Grundbesitzer mit 100.000 Mitgliedern. „Das macht mir Spaß, das Amt möchte ich gerne behalten“, so Hennrich. Das bedeute viele Termine in Baden-Württemberg. Beides lasse sich nicht unter einen Hut bringen – und „auch nicht mit meiner Work-Life-Balance vereinbaren“.
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