Bundestagswahl

AfD-Apotheker tritt gegen Lauterbach an Lothar Klein, 08.06.2017 07:50 Uhr

Berlin - 

Der Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Helmut Nowak will dem bundesweit bekannten SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach am 24. September bei der Bundestagswahl sein Direktmandat abjagen. Unterstützung erhalten könnte Nowak dabei ausgerechnet vom Kölner Apotheker Gunnar Witzmann. Das AfD-Mitglied kandidiert ebenfalls in Lauterbachs Wahlkreis Köln/Leverkusen: „Als Direktkandidat der AfD und Apotheker trete ich auch gegen Lauterbach im Wahlkreis 101 - Leverkusen-Köln an. Es wird Lauterbach einiges an Stimmen kosten.“

Das könnte richtig eng werden für Lauterbach, der keine Chancen hat, über die SPD-Landesliste in den Bundestag einzuziehen. Es geht um alles oder nichts. Denn bei der NRW-Landtagswahl holte die AfD dort besonders gute Ergebnisse, wo die SPD stark verlor. Wahlbeobachter vermuten dahinter eine Wählerwanderung direkt von der SPD zur AfD. Setzt sich dieser Trend am 24. September fort, muss sich Lauterbach ernste Sorgen um sein Direktmandat machen.

Bei der Bundestagswahl 2013 holte Lauterbach das Direktmandat in Mülheim/Leverkusen mit 41,3 zu 39,3 Prozent nur knapp vor CDU-Herausforderer Nowak. Das waren rund 4000 Stimmen mehr für Lauterbach. Vier Jahre zuvor siegte Lauterbach noch knapper. Nowak rechnet sich daher jetzt gute Chancen aus, Lauterbach aus dem Bundestag zu verdrängen. Vor allem im Kölner Arbeiterstadtteil Mülheim könnte es Witzmann gelingen, Lauterbach die entscheidenden Stimmen abzujagen und damit Nowak Schützenhilfe zu leisten.

Denn bereits bei Landtagswahlen in NRW gab es in Leverkusen eine Überraschung. Dort siegte CDU-Kandidat Rüdiger Scholz nach längerer Zeit mal wieder über die SPD. Verliert Lauterbach sein Direktmandat, dürfte der SPD-Fraktionsvize nicht mehr in den Bundestag einziehen: Anders als andere prominente SPD-Politiker ist er nicht über die Landesliste der NRW-SPD abgesichert. Dort rangiert Lauterbach auf Listenplatz 58 auf einem aussichtslosen Rang. Bei der letzten Bundestagswahl kamen 28 SPD-Bundestagsabgeordnete über die Liste ins Parlament.

Damit kommt es am 24. September im Wahlkreis Mülheim/Leverkusen zu einer interessanten Konstellation. Lauterbach genießt auch in den eigenen Reihen keine ungeteilte Sympathie, aber als Gesundheitsexperte ist der Mediziner in der Fraktion anerkannt. Den Gesundheitsteil des Koalitionsvertrags hatte er 2013 mit Jens Spahn ausgehandelt. Und beim Rx-Versandverbot seinen Blockadekurs durchgesetzt.

Lauterbach blickt auf einen interessanten Lebenslauf zurück. Er wurde 1963 als Sohn eines Arbeiters in Düren bei Köln geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin in Aachen und an der University of Texas in den USA. 1991 schloss er seine Dissertation in Düsseldorf ab. Daneben studierte Lauterbach Gesundheitsökonomie an der Harvard School of Public Health in Boston. 1998 wurde Lauterbach Direktor des neu gegründeten Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) an der Kölner Universität.

Von 1999 bis zur Wahl in den Bundestag im September 2005 war Lauterbach Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. 2003 war er Mitglied in der Kommission zur Untersuchung der Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, der sogenannten „Rürup-Kommission“.

Weniger bekannt ist allerdings, dass Lauterbach, der zur SPD-Parteilinken gehört, seinen Aufstieg von rechts unten nach links oben der CDU verdankt. Seine Studienzeit in den USA finanzierte die Konrad-Adenauer-Stiftung mit. Und Lauterbach war einst Mitglied der CDU: „Meine Mutter war sehr christlich“, so Lauterbach 2013 in einem Gespräch mit der Rheinischen Post. „Als ich in den USA war, habe ich mich mit Gerechtigkeitsthemen auseinandergesetzt. Irgendwann konnte die CDU die für mich nicht mehr umsetzen. Heute bin ich 100 Prozent Sozialdemokrat.“

Jetzt könnten ausgerechnet CDU und AfD die politische Karriere von Lauterbach wieder beenden. Nowak will im Wahlkreis gezielt gegen Lauterbach Stimmung machen. Im Teilwahlkreis Leverkusen lag er schon beim letzten Mal mit 6000 Stimmen vorn. Im Arbeiterbezirk Köln-Mülheim hat es die CDU hingegen traditionell schwer. Hier könnte jetzt Apotheker Witzmann assistieren.

Zuletzt hatte Witzmann in der Kölner Lokalpresse für Schlagzeilen gesorgt, weil er beim Plakatekleben in einen Pkw-Unfall verwickelt wurde. Er blieb unverletzt, sah sich aber als Opfer eines politischen Anschlags. Die Kölner Polizei dementierte dies hartnäckig. Die Berichte der Lokalpresse steigerten trotzdem die Bekanntheit des AfD-Apothekers.

Witzmann gehört zu den Gründern der Protestgruppe „Aufbruch!Apotheke“. Er und seine Kollegen hatten zunächst versucht, bei der Partei Die Linke anzuheuern und dort einen Arbeitskreis Apotheken zu etablieren: „Wir bieten Ihnen die Zuarbeit aus den praktischen Erfahrungen in einem zu gründenden Arbeitskreis an“, so Witzmann, Inhaber der Personalagentur Sisteron Apothekenservices, im November 2012. Die damalige gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Dr. Martina Bunge, lehnte das Angebot dankend ab.

Daraufhin wandte sich die Gruppe an die AfD und stieß dort auf offenere Ohren. Als Experten ließ die AfD die Protestapotheker-Gruppe in ihrem Arbeitskreis Gesundheit in NRW mitwirken. Im Gegensatz zu den etablierten Parteien, die oft kein Gehör für die Pharmazeuten hätten, treffe man bei der Anti-Euro-Partei auf ein „unbeackertes Feld“, hieß es 2013 aus der Protestapotheker-Gruppe. Aus der Mitarbeit wurde für Witzmann eine AfD-Mitgliedschaft. Jetzt kandidiert er für die Partei in NRW.

In NRW schaffte die AfD am 14. Mai den Einzug in den Landtag. Auch die Umfragen zur Bundestagswahl sehen die AfD im Parlament. Unter den Apothekern hat die AfD ebenfalls zugelegt: Nach einer APOTHEKE ADHOC-Umfrage von März konnte AfD die Zahl ihrer Anhänger unter den Apothekern seit der letzten Bundestagswahl auf 6 Prozent verdoppeln.