Reisefieber im Gesundheitsausschuss Lothar Klein, 07.03.2016 10:49 Uhr
Reisen bildet. Das gilt auch und insbesondere für Bundestagsabgeordnete. Deshalb spendiert der Deutschen Bundestag seinen Ausschüssen regelmäßig Informationsreisen – auch für den Gesundheitsausschuss. In normalen Jahren stehen dem Gremium zwei Touren zu, eine Fernreise und eine meist innerhalb der EU. Jetzt grassiert aber das Reisefieber im Gesundheitsausschuss: Südamerika, Japan, zweimal USA, Tunesien und Österreich lauten die Stationen des weltweiten Reiseprogramms auf Kosten der Steuerzahler.
Ob dabei dem Aufwand entsprechende Erkenntnisse mit nach Hause gebracht werden, entzieht sich einer objektiven Bewertung. Ende November jedenfalls reiste eine siebenköpfige Delegation des Gesundheitsausschusses nach Argentinien und Uruguay, um sich über die Unterschiede in der Drogenpolitik beider Länder zu informieren.
Nur zwei Monate später saßen der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit, Dr. Edgar Franke, sowie die Abgeordneten Reiner Meier, Lothar Riebsamen und Tino Sorge von der CDU/CSU-Fraktion, Hilde Mattheis (SPD) und Elisabeth Scharfenberg (Bündnis 90/Die Grünen) schon wieder im Flieger nach Tokio. Sie wollten sich vor Ort über die Finanzierung der Gesundheitsausgaben und die Organisation der Pflegeversicherung informieren. Treffen mit Politikern der Regierungs- und der Oppositionsparteien sowie mit Leistungserbringern standen auf dem Programm. Schließlich plagen Japan vergleichbare demographische Probleme wie Deutschland.
Die Reise wurde so kurzfristig anberaumt, dass nicht alle Fraktionen Reiseteilnehmer schicken konnten. Die Fraktion Die Linke sah den Nutzen des Politik-Ausflugs ohnehin „skeptisch“ und verzichtete. Normalerweise nehmen an Reisen des Gesundheitsausschusses drei Mitglieder der Union, zwei von der SPD und jeweils ein Abgeordneter der Grünen und der Linksfraktion teil. Als politische Reiseleiter mit von der Partie sind stets der Ausschussvorsitzende Dr. Edgar Franke (SPD) oder sein Unions-Vize Rudolf Henke.
Die Delegation traf sich mit dem japanischen Gesundheitsminister Yasuhisa Shiozaki, der die gute Zusammenarbeit mit seinem deutschen Amtskollegen Bundesminister Hermann Gröhe (CDU) lobte. Von besonderem Interesse für die Delegation war der Besuch zweier Alten- und Pflegeheime, die sogenannte Pflegeroboter als technische Hilfsmittel zur Unterstützung der Pflegekräfte, einsetzen.
Laut Reisebericht wurde die Delegation vom Leiter eines der Heime informiert, dass Japanerinnen und Japaner „sehr technikaffin“ seien und diesbezüglich „keine Berührungsängste“ kennen – keine besonders große Neuigkeit. Auf dem Programm stand zudem die Besichtigung des Exoskelett-Anzug HAL (Hybrid Assistive Limb). Dieser Anzug wird über Nervenimpulse gesteuert und hilft Schlaganfallpatienten, wieder laufen zu lernen.
Bleibt zu hoffen, dass die kommenden Ausschussreise mindestens auf ebenso hohem Informationsniveau ablaufen. Demnächst geht es für den Gesundheitsausschuss gleich zwei Mal in die USA. Bei der US-Arzneimittelbehörde FDA will man sich über die Arzneimittelzulassung informieren und über den aktuellen Stand des umstrittenen Handelsabkommens TTIP.
Bald darauf geht es wieder in die USA, diese mal ins Silicon Valley. Wie könnte es anders sein, Thema sind aktuelle E-Health-Entwicklungen und Anwendungen. Bei dieser Gelegenheit lässt sich sicher erkunden, wie weit das gerade verabschiedete deutsche E-Health-Gesetz hinter der technischen Realität hinterherhinkt.
Zeit bleibt dann noch für einen Abstecher nach Kuba. Dort soll das angeblich immer noch vorbildliche kostenlose Gesundheitssystem im ansonsten maroden Staatswesen unter die Lupe genommen werden. Noch in diesem Jahr wollen die Mitglieder des Gesundheitsausschusses dann in Österreich die Flüchtlingssituation studieren, sich über elektronische Gesundheitskarte und die Pflegesituation im Alpenland informieren. Anschließend steht Tunesien auf dem Reiseplan. Der Gesundheits-Tourismus im Nordafrikanischen Land ist Gegenstand der Informationsreise.
Übrigens: Von solchen Ausschussreisen kann man nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch gehörigen Ärger mit nach Hause bringen. Wegen angeblich schlechten Benehmens geriet vor Jahren der Gesundheitsausschuss nach einer Dienstreise in die USA und nach Kanada ins Kreuzfeuer der Kritik. Der „Spiegel“ berichtete über einen Brandbrief des Generalkonsuls in San Francisco, Rolf Schütte, an das Auswärtige Amt. Demnach sollen sich die Mitglieder des Gesundheitsausschusses bei ihrer 11-tägigen Reise im Mai „unangemessen bis schikanös“ verhalten haben. Diese wiesen die Vorwürfe allerdings zurück.