Koalition streitet über Pflegenoten dpa/APOTHEKE ADHOC, 22.06.2015 18:24 Uhr
Die umstrittenen Noten des sogenannten Pflege-TÜVs werden nun doch nicht abgeschafft. Darauf verständigten sich die zuständigen Koalitionspolitiker von Union und SPD nach längerer Auseinandersetzung, wie aus Koalitionskreisen verlautete. Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), will die Noten zwar nicht mehr. Doch die SPD beharrt darauf, dass die Patienten eine Orientierungshilfe bräuchten – die Grünen sprechen von einem „großen Fehler“. Auch die Barmer übt Kritik.
Die Benotung von Pflegediensten und -heimen war in die Kritik geraten, nachdem trotz offensichtlicher Mängel nur Bestnoten mit einem bundesweiten Schnitt von 1,3 vergeben worden waren. Laumann erklärte zu den Noten: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir sie schnellstmöglich aussetzen sollten, weil sie die Bürger in die Irre führen. Hier werde ich in den nächsten Wochen weiterhin versuchen, bei der SPD Überzeugungsarbeit zu leisten.“
Laumann will die Bewertung der Einrichtungen bis 2018 grundlegend überarbeiten. Die Noten wollte er während der Reform ab 2016 aussetzen. Als Übergangslösung sollten demnach die Prüfergebnisse des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) in einer Kurzzusammenfassung veröffentlicht werden.
Dem Vernehmen nach beharrte die SPD-Seite bei einem Treffen der Fachpolitiker Ende vergangener Woche darauf, die Notengebung beizubehalten, damit sich Pflegebedürftige und deren Angehörige über die jeweilige Einrichtung besser informieren könnten. Die Zusammenfassung der Prüfberichte sei für Betroffene in der Regel nur schwer zu verstehen.
Laumann bekräftigte: „Wir brauchen endlich echte Transparenz, die diesen Namen verdient.“ Das gehe nur auf der Basis unabhängiger, wissenschaftsbasierter Vorschläge für die Qualitätsmessung und -darstellung in der Pflege. „Und genau darauf hat sich die Koalition nun geeinigt.“
Die Verhandlungen über die Details der Reform laufen Laumann zufolge noch – auch mit Blick auf eine Aussetzung der bisherigen Pflegenoten. Der Pflegebeauftragte will seinen Entwurf in den kommenden Wochen an die Beteiligten verschicken.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von einer „vernünftigen Entscheidung“ der Regierungskoalition für den Übergang: „Für Pflegebedürftige und deren Angehörige wären die komplexen Prüfberichte des MDK keine gute Lösung.“
Die Grünen üben jedoch harsche Kritik am Schritt der Koalition. Alle Experten seien sich darin einig, dass der Pflege-TÜV dringend reformiert werden müsse, sagt die Sprecherin für Pflegepolitik, Elisabeth Scharfenberg. Sie fordert, dass die Pflegenoten sofort ausgesetzt werden. Die Pflegenoten „führen die Menschen in die Irre“, glaubt Scharfenberg. Sie wirft der großen Koalition vor, ein „Desinformationssystem“ fortzusetzen.
Die Barmer GEK sieht das Festhalten an den Pflegenoten kritisch. „Als Patientenvertreter fällt es mir ausgesprochen schwer, den Pflege-TÜV in seiner jetzigen Form weitere zweieinhalb Jahre ertragen zu müssen“, sagte der Vorsitzendes des Verwaltungsrats, Holger Langkutsch.
Der Pflege-TÜV habe seit seinem Start im Jahr 2009 weder die erhoffte Transparenz gebracht noch die Qualität in der Pflege positiv beeinflusst. Um zu aussagekräftigen Benotungen zu gelangen, müssten die Pflegekassen deshalb an der Erarbeitung eines neuen Bewertungssystems beteiligt werden.