Ein historischer Tag: Mit 393 Ja-Stimmen machte der Bundestag heute am letzten Sitzungstag der Legislaturperiode den Weg frei für die Öffnung der bürgerlichen Ehe auch für lesbische und schwule Paare. 226 Abgeordnete stimmten dagegen, vier enthielten sich der Stimme. Angela Merkel zeigte der Frage die „rote Karte".
„Ich freue mich natürlich, das ist ein schöner Tag für uns Lesben und Schwule“, sagt Erik Tenberken, Chef der Birken-Apotheke und der Westgate-Apotheke in Köln. „Ich bin ja schon seit 2010 verheiratet, für mich war das nie eine ‚Lebenspartnerschaft‘. Allein den Begriff fand ich schon schwierig. In meinem Umfeld und meiner Familie hat man uns immer als Ehepaar gesehen.“
Schwierig sei die Ungleichbehandlung im Finanzamt gewesen. „Da gibt es eine eigene Abteilung für eingetragene Lebenspartnerschaften. Das wurde intern das ‚Rosa Referat‘ genannt, das hatte für mich den Beigeschmack von ‚Rosa Liste‘. Damit hat es jetzt hoffentlich auch bald ein Ende. Nächste Woche beim Kölner CSD haben wir etwas zu feiern.“
Auch Matthias Philipp von der Berliner Apotheke Axel-Springer-Passage ist angetan von den Entwicklungen. „Mich hat überrascht, dass alles so schnell ging. Ich finde es gut, dass diese grundsätzliche Debatte endlich ein Ende hat und dass die Menschen endlich die Möglichkeit haben, ihrem Zusammensein den Titel zu geben, den sie wünschen.“
Philipp selbst plant erst einmal nicht den Gang zum Standesamt. „Mein Partner und ich sind seit zehn Jahren zusammen und hatten bislang auch nicht über das Vorgängermodell nachgedacht. Aber das ist eine Momentaufnahme, vielleicht ändern wir unsere Meinung noch einmal.“
Mit der Abstimmung geht ein jahrzehntelanger Kampf um Gleichstellung zu Ende, für die sich auch der scheidende grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck stark gemacht hat. Am 1. August 2001 wurde auf Initiative der damaligen rot-grünen Bundesregierung die Eingetragene Lebenspartnerschaft für lesbische und schwule Paare eingeführt. Wegen des Widerstands von CDU und CSU blieb sie über Jahre hinweg mit Pflichten, aber wenig Rechten behaftet. Erst Urteile des Bundesverfassungsgerichts zwangen den Gesetzgeber zur Gleichstellung zum Beispiel im Steuer- und Erbschaftsrecht.
Obwohl es auch in dieser Legislaturperiode eine parlamentarische Mehrheit für die Ehe gab, blockierte die SPD alle Vorstöße aus Koalitionsräson. Als Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel am Montag bei einer Veranstaltung der Zeitschrift Brigitte erklärte, sie wolle einer Gewissensentscheidung der Bundestagsabgeordneten nicht im Wege stehen, holten die Sozialdemokraten einen vom Bundesrat verabschiedeten Vorstoß der rheinland-pfälzischen Landesregierung aus der Schublade und erzwangen mit Grünen und Linken eine Abstimmung.
Alle anwesenden Abgeordneten der drei Parteien stimmten denn auch geschlossen für die Vorlage, die Nein-Stimmen kamen allesamt aus den Reihen von CDU und CSU. Auch die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel warf eine rote Stimmkarte in die Box. Sie sei inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass die Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein sollte, sagte sie den Medien nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Aber: „Für mich ist die Ehe im Grundgesetz die Ehe von Mann und Frau“.
Bei allem Respekt für gelebte Werte auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften sieht sich Michael Hennrich, der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, „heute außer Stande, einige noch ungeklärte Punkte zu beantworten. Dazu gehört rechtstechnisch vor allem die von Verfassungsrechtlern nicht abschließend geklärte Frage, ob die Eheöffnung überhaupt durch ein einfaches Gesetz umgesetzt werden kann oder ob damit die Grenzen der Rechtsfortbildung des Artikels 6 unseres Grundgesetzes überschritten werden. Wenn das so wäre, müssten wir auch das Grundgesetz entsprechend anpassen.“ Abgeordnete von CDU und CSU überlegen bereits, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber war da ebenso anderer Meinung wie andere 74 Unions-Jasager, darunter Kanzleramtschef Peter Altmaier. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Maria Böhmer und die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder.
Wenn der Bundesrat zustimmt und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz unterzeichnet, könnte es die ersten Eheschließungen schon im Oktober geben. Dann werden auf Antrag auch die bereits geschlossenen Eingetragenen Lebenspartnerschaften in Ehen umgewandelt.
Deutschland wird das 22. Land der Erde sein, das diesen Schritt vollzieht. Als erstes ermöglichte 2001 die Niederlande lesbischen und schwulen Paaren die zivile Eheschließung. Bis jetzt folgten Argentinien, Belgien, Brasilien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Kanada, Kolumbien, Luxemburg, Neuseeland, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, Südafrika, Uruguay und die USA dem Vorbild.
In Österreich und der Schweiz gibt es wie bislang in Deutschland Eingetragene Lebenspartnerschaften, die in ihren Rechten der Ehe gegenüber eingeschränkt sind. So bleibt den Paaren das volle Adoptionsrecht verwehrt.
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