Der Bundestag hat heute die heftig umstrittene Krankenhausreform verabschiedet. Ziel der Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist es, die Krankenhäuser in Deutschland finanziell zu entlasten und eine stärkere Spezialisierung zu fördern. Der Gesetzentwurf der Ampel-Koalition sieht eine Abkehr von der bisherigen Vergütung über Fallpauschalen vor. Künftig sollen Kliniken bereits für die Vorhaltung bestimmter Leistungen 60 Prozent der Vergütung erhalten. Der Minister spricht von einer historischen Reform, die Opposition kritisiert mangelnde Transparenz im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere die fehlende Auswirkungsanalyse.
„Wir brauchen diese Reform, und zwar jetzt“, erklärt der Minister. Ein Drittel der Krankenhäuser mache Defizite, so Lauterbach. Die Reform werde von zahlreichen Fachgesellschaften befürwortet. „Wir haben ein Nebeneinander von Über-, Unter- und Fehlversorgung“, erklärte er. Das koste Menschenleben jeden Tag, so der Minister.
„Das können wir besser. Die Kliniken müssen ohne wirtschaftliche Anreize überleben können, Patienten dürfen keine Cash-Cows der Kliniken sein. Diese Reform wird eine Umstellung sein“, so Lauterbach. „Die evidenzbasierte Medizin muss wieder im Vordergrund stehen, das erreichen wir mit dieser Reform“, verspricht Lauterbach. Die Reform werde auch die kleinen Krankenhäuser auf dem Land retten, durch Zuschüsse, so Lauterbach. Er sprach von einer Win-Win-Situation.
Es gebe einige hundert Krankenhäuser zu viel, die Reform sei ein Umbau des Systems. „Ohne diese Reform werden wir auch auf ein unkontrolliertes Krankenhaussterben zusteuern. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu dieser historischen Reform“, so Lauterbach.
Nach der Verabschiedung hieß es von Lauterbach: „Mit dieser großen Reform steigern wir, nach fast drei Jahren Vorbereitung, die Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern und sorgen für den Erhalt eines flächendeckenden Netzes guter Kliniken. [...] Mit dieser Strukturreform verbessern wir die Gesundheitsversorgung für eine schnell alternde Gesellschaft und ermöglichen den Bundesländern zusätzlich eine zielsichere Krankenhausplanung.“
Tino Sorge betonte, dass es Einigkeit über die Notwendigkeit der Reform gibt, doch das Parlament agiere im Blindflug. Es fehle an einer Brückenfinanzierung, die nicht initiiert wurde, und viele entscheidende Punkte seien noch ungeklärt. „Wenn Ihnen die Versorgung im ländlichen Raum wichtig wäre, dann hätten Sie schon längst mit uns gemeinsam diese Brückenfinanzierung hier im Bundestag auf den Weg gebracht“, sagte er. Sorge kritisierte, dass die Auswirkungsanalyse erst gestern im Gesundheitsausschuss vorgestellt wurde und den Abgeordneten immer noch nicht vorliegt. „Das ist eine absolute Frechheit“, so Sorge.
Er warnte, dass die Reform nicht funktionieren wird, da die Vorhaltefinanzierung eben doch noch an die Fallzahlen gebunden sei und die kleinen Häuser nicht gerettet werden könnten. Zudem seien die Akteure und die Länder nicht ordentlich in den Prozess einbezogen worden. Erst vorgestern habe man über 50 Änderungsanträge vorgelegt bekommen, so sei es nicht möglich, eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Auch Dr. Georg Kippels (CDU) bemängelte, dass Absprachen seitens des Ministers nicht eingehalten worden seien. Zudem bedeute der Gesundheitsfonds eine zusätzliche finanzielle Belastung für die gesetzlichen Krankenkassen. Ein „Todesstoß“ für viele Kassen.
Zuspruch bekommt Lauterbach von den Koalitionspartnern: Man müsse die Krankenhausreform nun so schnell und bei knappem Budget beschließen, weil die Regierung zuvor nichts an dem Problem gemacht habe, so Dr. Armin Grau (Grüne). Die Auswirkungsanalyse werde in Kürze vorliegen. Die Länder hätten alle Freiheiten, um über die Auswirkungen der Reform zu entscheiden, erklärte Grau.
Durch die Vorhaltepauschale würden die Krankenhäuser vor den zukünftig sinkenden Fallzahlen durch mehr Ambulantisierung geschützt, so Grau. „Bitte stimmen sie zu und bitte blockieren sie dieses wichtige Gesetz nicht im Bundesrat.“ Auch Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) wies auf die Untätigkeit der Vorgängerregierungen in diesem Bereich hin. Sie wies auch auf Lücken hin, die durch fehlende Investitionen der Länder entstanden seien.
„Eine Reform ist notwendig und überfällig“, erklärte Aschenberg-Dugnus. Auch Heike Baehrens (SPD) betonte, dass es ein „Weiter so“ nicht geben dürfe. Die Leistungsträger würden auf dieses Gesetz warten. Auch die größte Beschäftigungsgruppe, die Pflege in Krankenhäusern, werde durch die Reform gestärkt. Wer diese Reform blockiere, verhindere den Aufbruch, so Baehrens.
Die Grundlage der gemeinsamen Lösung von Bund und Ländern für die Krankenhäuser sei ein zustimmungspflichtiges Gesetz gewesen. „Diesen Weg hat die Ampel verlassen. Das kann man auch Wortbruch nennen“, so Karl-Josef Laumann (CDU), der Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens. Es sei ein Fehler, das Gesetz zu verabschieden, bevor die Auswirkungsanalyse vorliege. Er wolle das Gesetz nicht stoppen, betonte er, allerdings müsse es dringend überarbeitet werden. Planung und Finanzierung der Länder müssten zusammenpassen. Deshalb solle das Gesetz im Vermittlungsausschuss nachgebessert werden.
„Es geht um die Menschen, die gut versorgt werden müssen“, betonte Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). Es müsse sichergestellt werden, dass die Grundversorgung vorhanden sei, was mit der vorgelegten Reform nicht der Fall sei. Die Änderungsvorschläge der Länder seien kaum berücksichtigt worden. „Sie wollen einfach keine Mitbestimmung der Länder“, so Gerlach. Eine Schablone von Berlin aus können nicht einfach auf das ganze Land gelegt werden, kritisiert sie. Als Fazit bleibe, die gesetzlichen Regelungen seien einfach zu starr. Die wirtschaftlichen Probleme der Krankenhäuser werden nicht gelöst. „Ich empfehle dringend, keine Reform mit dem Eisernen Besen durchzukehren“, so Gerlach.
Für der Verzögerung der Auswirkungsanalyse seien die Länder verantwortlich durch ihre Blockade des Krankenhaustransparenzgesetzes, sagt Dr. Christos Pantazis (SPD). Nachhaltige Finanzierung müsse von allen getragen werden, man würde hier notfalls nachbessern, betonte er. „Mit dieser Reform wagen wir Fortschritt.“
Die AfD-Fraktion lehnt die Reform ab. Dr. Christina Baum (AfD) kritisierte neben der fehlenden Auswirkungsanalyse auch die Finanzierung des Transformationsfonds durch die GKV. Der Bundesrechnungshof (BRH) hatte die Finanzierung des Fonds über Beitragsgelder in der Vergangenheit bereits zwei Mal gerügt. „Die von Lauterbach angekündigte Revolution ist ein Rohrkrepierer geworden“, erklärt Kay-Uwe Ziegler (AfD).
„Ja, wir brauchen eine Krankenhausreform“, so Andre Hunko (BSW), aber die jetzt vorgelegte „kalte Strukturreform“ löse die Probleme nicht, sondern sorge für weitere Schließungen. Die Folgenabschätzung sei weder den Ländern noch dem Parlament vorgelegt worden. Bei der Finanzierung des Transformationsfonds blieben Bund und private Krankenkassen außen vor. Stattdessen werde er von den Beitragszahlern und den Ländern getragen.
„Alles steht und fällt mit der Frage, wo lohnt sich eine Klinik und wo lohnt sie sich nicht“, kritisiert Ates Gürpinar (Linke). Das Gesetz hätte in Zusammenarbeit mit den Leistungsträgern und den Ländern gestaltet werden müssen.
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