Zyto-Ausschreibungen

BSG-Urteil lässt Politik kalt

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Berlin -

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) werden die Rufe nach einer politischen Lösung laut – nämlich Ausschreibungen im Bereich der Sterilherstellung zu verbieten. Die Union hatte sich lange für eine solche Regelung stark gemacht. Doch Arzneimittelexperte Michael Hennrich (CDU) ist skeptisch, dass sich dafür Mehrheiten finden lassen. Auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sieht keinen Handlungsbedarf.

Laut Hennrich sind Ausschreibungen im onkologischen Bereich „äußerst schwierig“. Auf der einen Seite gefährdeten Exklusivverträge die Versorgungssicherheit, auf der anderen Seite seien sie „eine Zumutung für die Patienten“: „Wer ohnehin schwer erkrankt ist, der sollte nicht auch noch mit Komplikationen rechnen müssen.“

Dass sich viele Krankenkassen an den Ausschreibungen nicht beteiligen, ist für ihn ein klares Signal: „Auch die Kassen sehen, dass Rabattverträge in diesem Bereich nicht funktionieren.“ Eine politische Lösung – also ein Verbot von Ausschreibungen – hält Hennrich derzeit für nicht durchsetzbar: „Schon die FDP wollte dieses Thema nicht angehen. Ich sehe auch in dieser Legislaturperiode wenig Aussichten auf Erfolg.“

Auch aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) kommen wenig ermutigende Signale: Neben der Qualität der Versorgung sei auch die Wirtschaftlichkeit ein wesentliches Ziel der Gesetzgebung, so ein Sprecher von Gröhe. Aus diesem Grund sei es den Kassen 2007 mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) ermöglicht worden, die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zytostatika-Zubereitungen durch Selektivverträge sicher zu stellen. Dabei könnten Preise und Preisspannen der Apotheken vereinbart werden.

Eine abschließende Bewertung des Urteils sei erst nach Vorliegen der Urteilsgründe und ihrer Prüfung möglich, so der Sprecher. Er verweist aber, wie schon das BSG, auf das Apothekengesetz (ApoG), nach dem Apotheken Zytorezepturen aufgrund einer Absprache an den unmittelbar anwendenden Arzt abgeben dürften. „Hintergrund sind die mit diesen Arzneimitteln einhergehenden Risiken, vor denen die Patienten geschützt werden sollen.“ Durch die Möglichkeit des direkten Kontakts zur Arztpraxis könne die Apotheke den hohen Qualitätsanforderungen an parenterale Rezepturarzneimittel entsprechen.

Die Union hatte bereits im September 2010 – noch vor Inkrafttreten der ersten Zyto-Verträge der AOK Nordost – angekündigt, Ausschreibungen zu Sterilrezepturen zu verbieten, um eine Oligopolbildung zu verhindern. In einem Papier zum Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) äußerten die Gesundheitsexperten Zweifel daran, dass solche vertraglichen Lösungen nach dem Wegfall der Preisbindungen für die Hilfstaxe überhaupt noch nötig seien.

Im Raum stand damals zusätzlich ein Herstellerrabatt von 16 Prozent für festbetragsfreie Generika in der Sterilherstellung. „Wir wollen den Spagat zwischen einer hochwertigen flächendeckenden Zytostatika-Versorgung und notwendigen Sparmaßnahmen zu Gunsten der Versicherten schaffen“, sagte der damalige gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn. „Das ist machbar.“

Später wiederholte Spahn mehrfach seine Kritik an den Ausschreibungen im onkologischen Bereich. Auch die ABDA forderte seitdem bei mehreren Gelegenheiten ein Verbot von Selektivverträgen für Sterilrezepturen, zuletzt im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG).

Parallel versucht der Deutsche Apothekerverband (DAV), Ausschreibungen wirtschaftlich unattraktiv zu machen. Zuletzt war die Hilfstaxe im August 2014 angepasst worden: Die Rabatte, die Apotheken auf generische zytostatische Wirkstoffe geben müssen, stiegen auf 30 Prozent. Im Gegenzug wurden der Abschlag für nicht austauschbare Präparate gestrichen und der Arbeitspreis erhöht.

Laut DAV-Chef Fritz Becker sollten die Krankenkassen keine Vorteile in Ausschreibungen mehr sehen. Es sei Zeit für eine Neubestimmung, mit der beide Seiten leben könnten, so Becker im Vorfeld der Einigung. Doch die Kritik an dieser Strategie wächst: Die Erfahrungen bei Fertigarzneimitteln zeigten, dass die Kassen die Preise dann Richtung Null drückten, konterte der Vorsitzende des Verbands Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA), Dr. Klaus Peterseim. „Ich persönlich glaube daher nicht, dass das Absenken von Preisen die richtige Taktik sein kann, um Ausschreibungen zu vermeiden.“

Die im Gegensatz zu den Preisnachlässen minimale Erhöhung der Arbeitspreise stelle keine angemessene Honorierung der apothekerlichen Leistung dar, so Peterseim. Er wies noch darauf hin, dass der GKV-Spitzenverband den Einzelkassen ohnehin keine Ausschreibungen verbieten könne.

Die Preise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen unterliegen seit 2009 nicht mehr dem einheitlichen Abgabepreis. Weil die Apotheken mit den Herstellern Rabatte aushandeln können, werden auf der anderen Seite in der Hilfstaxe Abschläge vereinbart. Die Kassen können bei Apotheken und Herstellern die Einkaufskonditionen abfragen.

Laut Arzneiverordnungsreport stellten die rund 300 Zyto-Apotheken im vergangenen Jahr rund 3,5 Millionen Spezialrezepturen wie Zytostatika oder Infusionslösungen zur Schmerztherapie pro Jahr für Kassenpatienten her. Die Ausgaben lagen bei etwas mehr als 3 Milliarden Euro.

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