Was wird nun aus frei verkäuflichen CBD-Produkten? Während Gegner und Verteidiger ihre Rechtsansichten ausführen, schaffen Behörden bereits Fakten – aber nur uneinheitlich und regional. Nun hat sich die Bundesregierung erstmals eindeutig zum Fall positioniert: „Der Bundesregierung ist derzeit keine Fallgestaltung bekannt, wonach natürlich hergestellte CBD-Produkte als Lebensmittel verkehrsfähig wären“, heißt es in der Antwort zu einer Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag, die APOTHEKE ADHOC vorliegt. Demnach ist CBD nur verkehrsfähig, wenn es Bestandteil eines Arzneimittels ist. Bisher sei von der EU noch kein Novel-Food-Antrag positiv beschieden worden – und diese Anträge könnten ohnehin bald hinfällig sein, weil die EU-Kommission im Dezember natürlich gewonnenes CBD vom Novel-Food-Katalog in die Anlage I der internationalen Betäubungsmittelkonvention überführen will.
Bisher fristeten CBD-Produkte ein Dasein im Graubereich: Überall sind sie in wechselnder Qualität erhältlich, waren in den letzten Jahren gar zum Trendprodukt avanciert, das auch in vielen Apotheken gern gesehenen Umsatz bringt. Dabei ist die Rechtslage seit jeher umstritten: Einerseits geht es darum, welche Produkte eine EU-Zulassung als neuartiges Lebensmittel benötigen, andererseits um die Frage, ob sie es überhaupt benötigen. Viele Ansichten und Argumente werden seitdem ausgetauscht und widersprechen sich nicht selten diametral. Dass die EU-Kommission CBD im Dezember als Betäubungsmittel einstufen will, könnte dem Spuk ein Ende bereiten – zum Leidwesen der Hersteller und einer neu entstandenen Industrie.
Bis dahin wird jedoch weiter gestritten, ob und was zulässig ist. Die Bundesregierung hat nun auf eine Anfrage unter Federführung des FDP-Gesundheitspolitikers Dr. Wieland Schinnenburg klar Stellung bezogen: CBD sei ein neuartiges Lebensmittel und das sei auch richtig so. Um nachzuweisen, dass es das nicht ist, müssen die Hersteller belegen, dass der Gebrauch der jeweiligen Substanz bereits vor dem Stichtag 15. Mai 1997 in der EU „in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden ist“. Das haben mehrere Unternehmen offenbar auch versucht, sind damit aber gescheitert. Dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wurden demnach entsprechende Unterlagen vorgelegt, es kam jedoch zu dem Schluss, dass die keinen Nachweis für einen entsprechenden Verzehr darstellten.
„Bei den Unterlagen handelte es sich beispielsweise um historische Rezepte für hanfhaltige Gerichte oder Zubereitungen, die zum Teil auch für medizinische Zwecke eingesetzt wurden“, schreibt die Bundesregierung. Das wäre jedoch kein hinreichender Nachweis gewesen. Ein Novel-Food-Antrag ist also zwingend notwendig. Und der wurde auch schon mehrfach gestellt. „Bisher konnte jedoch keiner dieser Anträge positiv beschieden werden, insbesondere wegen des Fehlens wissenschaftlicher Daten, die die gesundheitliche Unbedenklichkeit der betreffenden Erzeugnisse belegen.“
Allerdings wurde die Bearbeitung von Novel-Food-Anträgen zu CBD-Produkten ohnehin vorerst gestoppt, weil eine Neubewertung der nicht-psychoaktiven Substanz bevorsteht. Denn die EU-Kommission vertritt die vorläufige Position, dass als Extrakt oder Tinktur aus den Blüten oder Fruchtständen der Cannabispflanze gewonnenes CBD in den Anwendungsbereich des Anhangs I des derzeit geltenden Einheits-Übereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe vom 30. März 1961 falle. Und gemäß der EG-Verordnung 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts sind „Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe im Sinne dieses Einheits-Übereinkommens von der Definition ‚Lebensmittel‘ rechtlich ausgeschlossen“, so die Bundesregierung.
Die EU scheint mit ihrer Auffassung nicht allein. Auch die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (Commission on Narcotic Drugs, CND) sieht CBD als von der Konvention eingeschlossen – trifft dabei aber explizit eine bedeutende Unterscheidung: „Cannabidiol (CND) ist eine Substanz, die synthetisiert oder aus der Cannabispflanze gewonnen werden kann“, zitiert die Bundesregierung aus einem CND-Dokument. „Wenn sie aus der Cannabispflanze gewonnen wird, ist sie nach aktuellem Rechtsstand sowohl als Cannabiszubereitung (Anlage I & IV) als auch als Extrakt oder Tinktur (Anlage I) eingestuft.“ Das heißt: Natürlich gewonnenes CBD wäre ein Betäubungsmittel, synthetisch hergestelltes nicht. Genau diesen Punkt kritisieren Branchenexperten und verweisen darauf, dass es keinen pharmazeutisch relevanten Unterschied zwischen beiden Stoffen gebe.
Bereits im März wollte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Mitgliedsstaaten der Drogenkonvention darüber abstimmen lassen, CBD in den dortigen Betäubungsmittelkatalogs aufzunehmen. Bekanntlich hatte die WHO im März aber drängendere Probleme, also wurde die Abstimmung auf Dezember verschoben. Der Rat der Europäischen Union prüfe zurzeit, ob die derzeit gültige vorläufige Position einer Aktualisierung bedarf und die Entscheidung darüber legt dann auch fest, wie Deutschland im Dezember abstimmt. „Die Bundesregierung wird zur Frage des Abstimmungsverhaltens an einen erneut vom Rat der Europäischen Union zu verabschiedenden Beschluss gebunden sein.“
Und was wird dann aus den Herstellern natürlicher CBD-Produkte, wenn ihre wichtigste Substanz als Betäubungsmittel gelistet wird und damit per se kein Lebensmittel mehr sein kann? „Das Inverkehrbringen von CBD-Lebensmitteln ist mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden. Die Hersteller sind hier weitestgehend auf sich alleine angewiesen. Bei Verstoß gegen arzneimittelrechtliche oder betäubungsmittelrechtliche Vorschriften drohen empfindliche Strafen“, kommentiert Schinnenburg die Auffassung der Bundesregierung.
„Lebensmittelunternehmen sind eigenverantwortlich für ihre Produkte und haben dabei insbesondere die geltende Rechtslage zu berücksichtigen und sich im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht eigenständig über die für sie bestehenden Anforderungen zu informieren“, hatte das federführende Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft dazu angemerkt.
Wie es bisher um die Rechtslage und die Kenntnisse über sie bestellt ist, hat sich in den zurückliegenden Monaten allerdings gezeigt. „Ich rufe die Bundesregierung deshalb auf, für Verbraucher und Hersteller Rechtssicherheit zu schaffen und den Marktzugang für CBD-Produkte transparent und einheitlich zu regeln“, sagt Schinnenburg. Zumindest einen besonderen Schaden für die deutschen Anbieter dementiert die Bundesregierung – schließlich seien alle in Europa gleichermaßen von der Entscheidung betroffen: „Das Recht zu neuartigen Lebensmitteln und zu Arzneimitteln ist innerhalb der Europäischen Union harmonisiert. Wettbewerbsnachteile oder Marktzugangsbarrieren für deutsche Unternehmen kann die Bundesregierung daher nicht erkennen.“
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