Bundesregierung: Kein Interesse an Aut-idem-Reform Tobias Lau, 07.07.2020 12:44 Uhr
Parkinsonfachverbände kritisieren seit Jahren, dass es Probleme in der medizinischen und Arzneimittelversorgung ihrer Patienten gibt – nicht zuletzt wegen der Aut-idem-Regelung. Der Austausch gemäß Rabattverträgen in den Apotheken könne zu Fehlmedikationen führen, warnen die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) und der Verband für Qualitätsentwicklung in Neurologie und Psychiatrie (QUANUP) sowie der Selbsthilfeverband „Deutsche Parkinson-Vereinigung“ (dPV). Die FDP-Bundestagsfraktion hat deshalb bei der Bundesregierung angefragt, ob sie Reformbedarf sieht. Doch die sieht sich nicht zuständig und weist auch die Frage danach zurück, ob sie sich an Forschungsprojekten beteiligen würde, die eine Datengrundlage zur Auswirkung der Aut-idem-Regel beteiligen will.
Wer zu den 220.000 bis 480.000 Parkinson-Patienten in Deutschland gehört und auf dem Land wohnt, hat es oft besonders schwer. Die dPV hatte sich deshalb bereits 2017 an die Bundesregierung gewandt und darauf hingewiesen, dass die ambulante neurologische Versorgung von Parkinson-Patienten insbesondere in ländlichen Regionen nicht ausreichend sei. Die Patienten müssten insbesondere lange Distanzen und Wartezeiten auf sich nehmen, um einen auf Parkinsonerkrankungen spezialisierten Neurologen zu erreichen. Doch selbst wenn ein Arzt erreichbar ist und die richtigen Arzneimittel verordnet, bleibe ein wesentliches Problem für die Parkinson-Therapie: das Aut-idem-Kreuz.
Betroffenen- und Fachverbände seien bereits mit dem Wunsch an die Bundesregierung herangetreten, eine Ausnahmeregelung bezüglich des Austausches wirkstoffgleicher Arzneimittel zur Behandlung von Morbus Parkinson in der Apotheke zu schaffen, erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion. Aktuell stehe das Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Austausch mit einer Stiftung, die von Betroffenen gegründet wurde und deren Ziele eine verstärkte Therapieentwicklung gegen die Parkinson-Erkrankung ist.
Bedarf, zumindest in der Parkinson-Therapie die Aut-idem-Regelung zu reformieren, sieht die Bundesregierung dabei allerdings nicht. Gegenüber den Verbänden verweise sie mit Blick auf eine mögliche Ausnahmeregelung auf die Zuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) – der wiederum habe die Aufnahme von Parkinson-Medikamenten auf die Substitutionsausschlussliste abgelehnt, da er die Kriterien zur Aufnahme als nicht erfüllt ansieht. Denn es handele sich dabei nicht um Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite.
Dabei zählen Parkinson-Medikamente Zahlen des GKV-Spitzenverbandes zufolge zu dem am häufigsten vom Austausch ausgeschlossenen. Nach konservativer Schätzung seien insbesondere Schilddrüsentherapeutika mit einer Häufigkeit von 23 Prozent bezogen auf die verordneten Packungen, Immunsuppressiva mit 22, Antiparkinsonmittel mit 19, Hypophysen- und Hypothalamushormone und Analoga mit 17, Antiepileptika mit 16 und Immunstimulantien mit 15 Prozent der verordneten Packungen von der Aut-idem-Ersetzung ausgeschlossen worden.
Doch die FDP hakte weiter nach. Sie wollte insbesondere wissen, welchen finanziellen Effekt eine generelle Aussetzung der Aut-idem-Regelung auf die Kostenträger der gesetzlichen Krankenversicherung hätte, und welche Folgekosten wiederum aufgrund auftretender medizinischer Probleme infolge der Anwendung der Aut-idem-Regelung bei Parkinson-Patienten entstanden sind. Doch Fehlanzeige: Die Bundesregierung wisse darüber nichts, gibt sie an.
Also bestünde Bedarf, etwas darüber hinauszufinden, dachte man sich bei der FDP. „Welche Möglichkeiten bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung für Betroffenen- und Fachverbände, die der Auffassung sind, dass die Aut-idem-Regelung für einzelne Krankheitsbilder ausgesetzt werden sollte, um ihre Forderung fachlich zu untermauern?“, fragt sie und will zusätzlich wissen, wie die Bundesregierung dazu inhaltlich und finanziell beitragen kann.
Neben dem Hinweis darauf, dass auf der Substitutionsausschlussliste nur Wirkstoffe, aber keine Indikationen landen, verweist die Bundesregierung allerdings auch hier wieder nur auf den G-BA – und auf die Hersteller: „Zur Erzeugung evidenzgenerierender Forschung und deren Finanzierung können sich die Betroffen- und Fachverbände unter anderem an die pharmazeutischen Unternehmer wenden. Bundesmittel zur Finanzierung derartiger Forschung sind derzeit nicht vorgesehen.“