Bundesrat stellt sich gegen Spargesetz Patrick Hollstein, 16.09.2022 10:54 Uhr
Der Bundesrat lehnt die Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab. So stimmte die Länderkammer gegen die Anhebung des Kassenabschlags und forderte dagegen die Streichung der Importquote. Allerdings ist das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) nicht zustimmungspflichtig.
Mehrheitlich stimmte der Bundesrat gegen die geplante Erhöhung des Kassenabschlags von derzeit von 1,77 auf 2 Euro in den Jahren 2023 und 2024 und folgte damit der Empfehlung des Gesundheitsausschusses. Auch die für Hersteller vorgesehenen Sparmaßnahmen werden mehrheitlich abgelehnt. Zwar sehen auch die Länderchefs die Notwendigkeit, die Finanzierungslücke in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu schließen. Dies dürfe allerdings nicht zu Lasten einer leistungsfähigen Pharmaindustrie gehen, die man angesichts der globalen Entwicklungen eher stärken als schwächen müsse, so die Argumentation im Plenum.
Auch die geplante Erhöhung des Kassenabschlags laufe den sonstigen Bestrebungen der Bundesregierung zur Stärkung der Apotheken vor Ort diametral entgegen. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie sei der Wert der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch Apotheken deutlich geworden: Die Apotheken seien allen an sie gestellten Forderungen gerecht geworden und hätten maßgeblich dazu beigetragen, dass Deutschland vergleichsweise gut durch die Pandemie geführt werden konnte.
„Die Vor-Ort-Apotheken sind ein besonders wichtiger und zu schützender Zweig des deutschen Gesundheitssystems.“ Die Entwicklung der Apothekenzahlen in den vergangenen Jahren gebe jedoch Anlass zur Sorge. „Neben Nachwuchsproblemen sind Unsicherheiten in der Finanzierbarkeit von Apotheken Hauptursache für den Rückgang der Apotheken, die durch die Anhebung des Apothekenabschlags weiter verstärkt würden.“
Apotheken werden unrentabel
Auch Apotheken seien von der galoppierenden Preisentwicklung betroffen. „Allgemeine Preissteigerungen bei den Einkaufspreisen, die Erhöhung des Mindestlohns und steigende Personalkosten aufgrund von Tarifabschlüssen wurden in den letzten Jahren durch eine Effizienzsteigerung in den Apotheken kostenneutral für das GKV-System ohne entsprechenden Vergütungsausgleich abgefedert.“ Weitere Einschränkungen führten zwangsläufig zu einer „Unrentabilität einzelner, insbesondere kleinerer Apotheken im ländlichen Raum“, in deren Folge Schließungen unausweichlich würden.
„Die flächendeckende Arzneimittelversorgung wird durch das Gesetzesvorhaben massiv gefährdet“, so der Gesundheitsausschuss unter Verweis auf das „zentrale Vorhaben der Bundesregierung der Stärkung der Apotheken vor Ort“ (VOASG). Die Maßnahme sei daher abzulehnen.
Importquote streichen
Stattdessen fordern die Gesundheitsminister:innen der Länder auf Antrag Bayerns erneut die Streichung der Importquote. Diese Pflicht verursache für die Apotheken einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand, der ihnen nicht gesondert vergütet werde. Ohnehin enthalte der Rahmenvertrag bereits komplexe Vorgaben zur Auswahl des abzugebenden Arzneimittels und zur Ermittlung ihrer Einsparungen. „Wird das vorgegebene Einsparziel in einem Kalenderquartal nicht erreicht, drohen der Apotheke Retaxierungen durch die Krankenkassen. Die einzelnen Schritte und die Dokumentation des Vorgehens stellen in der Gesamtschau für die Apotheken einen hohen Aufwand dar.“
Auch mit Blick auf die Hersteller soll das Spargesetz gelockert werden. So sollen die Umsatzschwelle für Orphan Drugs von 50 nur auf 30 statt 20 Millionen Euro gesenkt und der Kombinationsabschlag gestrichen werden. Bei Rabattverträge soll die Produktion in Europa durch Mehrfachvergabe berücksichtigt werden. Im Bereich der innovativen Arzneimittel sollen AMNOG-Neuregelungen erst in Ruhe geprüft und separat geregelt werden. Die Einsparungen bei den Praxen über die Neupatientenregelung soll ebenso entfallen wie die Deckelung der sachlichen Verwaltungsskosten und das Abschmelzen der Finanzreserven der Kassen. Stattdessen soll der Bundeszuschuss von 2 auf 5 Milliarden Euro steigen.