Bis zur letzten Sekunde stand das letzte große gesundheitspolitische Reformprojekt von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf der Kippe, jetzt ist die Entscheidung gefallen: Der Bundesrat hat heute das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) durchgewunken. Mit dieser Reform soll der finanzielle Druck auf die Kliniken verringert und eine stärkere Spezialisierung bei komplexen Behandlungen gefördert werden. Die Reform tritt damit wie geplant am Anfang nächsten Jahres in Kraft. Nur sechs Länder stimmten für die Anrufung des Vermittlungsausschusses, die Stimme Thüringens wurde wegen nicht einheitlichen Stimmverhaltens für ungültig erklärt.
Der Bundesrat macht den Weg für die umstrittene Krankenhausreform frei. Die Länderkammer ließ das noch von der Ampel-Koalition im Bundestag beschlossene Gesetz für eine Neuordnung der Kliniken passieren. Lauterbach äußerte sich kurz vor Beginn der Bundesratssitzung zuversichtlich, dass die Reform gebilligt wird. „Da kommt eine Reform zum Abschluss, an der wir zwei Jahre intensiv gearbeitet haben“, sagte der SPD-Politiker. Aus seiner Sicht werde es „ein guter Tag“ für die Krankenhäuser, aber insbesondere auch für die Patientinnen und Patienten sein.
Das deutsche Gesundheitssystem sei sehr teuer, trotzdem hinke Deutschland bei der Lebenserwartung im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern hinterher. Ohne die Reform käme man nicht vom Fleck, so Lauterbach im Bundesrat vor der Abstimmung. „Wir müssen uns ehrlich machen, bei den Änderungen, um die es hier geht, geht es um den Kern der Reform, wenn wir diese Änderungen machen würden, brauchen wir die Reform nicht mehr“, so Lauterbach. Die von den Ländern geforderten Änderungen gingen an das Herz der Reform“, erklärt Lauterbach. „Machen wir uns nichts vor, das Gesetz würde wertlos sein, wenn es in den Vermittlungsausschuss geht.“ Kommt es zu diesen Verwässerungen, habe der Bund kein Interesse mehr an dieser Reform. „Wollen wir diese einmalige Chance, 10.000 Menschen im Jahr eine bessere Versorgung zukommen zu lassen, heute verpassen?“, appelliert der Minister abschließend.
„Wenn wir in einer anderen politischen Lage wären, würde sicher der Vermittlungsausschuss ausgerufen werden“, erklärt Dr. Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt vor der Abstimmung. Dass es Reformbedarf im Gesundheitssektor gibt, da seien sich alle Akteure einig. Beim KHVVG sei aber augenblicklich zu viel Nachbesserungsbedarf. Er werde sich für den Vermittlungsausschuss aussprechen. „Wenn die Reform heute entgegen des Anrufungsbegehren beschlossen wird, dann wissen wir schon, dass es weiteren Handlungsbedarf gibt“, erklärt er.
Auch der Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens, Karl-Josef Laumann (CDU), betonte klar den Reformbedarf. Die Krankenhausplanungshoheit müsse in den Ländern bleiben. „Ja, das Gesetz ist im Grunde richtig, aber es muss in wichtigen Punkten noch verändert werden, und das wird sich nicht einfach über Verordnungen machen lassen“, mahnt er wiederholt.
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) findet es ebenfalls völlig inakzeptabel, dass der Bund massiv in die Gestaltungshoheit der Länder eingreift. „Das KHVVG bietet keine ausreichenden Antworten auf den Reformbedarf und die akuten Probleme der Krankenhäuser“, erklärt sie. Im Gegenteil, das Gesetz gefährde die Versorgung sogar weiter. Statt dieser Reform hätte der Bund zur Sicherung der Versorgung ein Sofortmaßnahmenpaket beschließen müssen. Sie appelliert an die Länder, den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Zur Abstimmung über die Krankenhausreform im Bundesrat hat Bayern einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses eingebracht. „Unser Ziel ist es, zu dringend notwendigen Nachbesserungen zumindest in zentralen Punkten des Gesetzes zu kommen“, sagte die CSU-Politikerin. Die Länderkammer kann damit nun darüber abstimmen, ob sie das vom Bundestag beschlossene Gesetz in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schicken will.
Kerstin von der Decken (CDU) erklärt, dass das KHVVG seine Ziele in der jetzigen Form nicht erreiche. „Der Vermittlungsausschuss bietet eine Chance – höchstwahrscheinlich die letzte – um diese groben Fehler zu korrigieren. Ich habe immer eindringlich für seine Anrufung geworben. Sollte die Anrufung aus politischen – und nicht aus fachlichen – Gründen scheitern, wäre dies kein gutes Signal für die Krankenhausversorgung in Deutschland.“ Auch Rudi Hoogvliet (Grüne), Staatsminister Baden-Württemberg, betont den erheblichen Nachbesserungsbedarf an der Reform.
Stefanie Drese (SPD), Gesundheitsministerin Mecklenburg-Vorpommern, spricht sich für die Reform ihres Parteikollegen aus. Zwar sieht auch sie Verbesserungsbedarf an dem Gesetz, verteidigt das Vorhaben aber als Grundlage. Sie setzt auf Weiterentwicklung, statt das Vorhaben im Vermittlungsausschuss zu versenken. Auch Claudia Bernhard, Gesundheitssenatorin in Bremen, betont, dass die Reform notwendig sei und keinen Aufschub dulde. In der nächsten Legislatur von vorne zu beginnen, würde schlicht zu lange brauchen.
Clemens Hoch (SPD), Gesundheitsminister Rheinland-Pfalz, bewarb die Reform. Auch er betont die zeitliche Dringlichkeit – trotz des Nachbesserungsbedarfs. „Wir brauchen diese Reform“, betont er. Auch Dr. Magnus Jung (SPD), Gesundheitsminister Saarland, spricht sich für die Reform aus.
Der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) betonte, dass das KHVVG tot sei, wenn es nun in den Vermittlungsausschuss geschickt werde. Normalerweise der richtige Weg, so Philippi, in der jetzigen politischen Lage aber der falsche Weg. „Alle wissen, dass wir eine Reform brauchen. Das Motto muss lauten, erst das Land, dann der Wahlkampf!“ Der hessische Minister Timon Gremmels (SPD) betonte in seiner Rede die große Bedeutung der Reform für die Unikliniken.
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