Nach Wochen des Wartens liegt ein erster, noch unabgestimmter Entwurf des Versorgungsstärkungsgesetzes vor. Für die Apotheker von besonderer Relevanz ist Paragraph 51: Dort wird geregelt, dass Apotheker und Kassen sich im Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung einigen sollen, in welchen Fällen Kassen keine Nullretaxationen mehr vornehmen dürfen. Außerdem werden der Kassenabschlag auf 1,77 Euro festgeschrieben und IV-Verträge für Apotheken geöffnet.
Wörtlich heißt es in einer Änderung im Sozialgesetzbuch (SGB V): „In dem Rahmenvertrag ist zu regeln, in welchen Fällen einer Beanstandung der Abrechnung durch Krankenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt.“
Zur Begründung heißt es, die Apotheker leisteten einen entscheidenden Beitrag zur guten und sicheren Arzneimittelversorgung. „Es ist ein legitimes Interesse, dass sie vor unsachgemäßen Retaxationen der Krankenkassen 'auf Null' (Vollabsetzung von der Rechnung) und damit vor wirtschaftlicher Überforderung in den Fällen geschützt werden, in denen Versicherte das nach den Regelungen des SGB V abzugebende Arzneimittel erhalten haben, das der Arzt bzw. die Ärztin ausgewählt hat.“
Dadurch unterschieden sich diese Fälle von solchen, wo anstelle eines Rabattvertragsarzneimittels ein anderes Präparat abgeben werde und in denen laut Rechtsprechung weder ein Vergütungsanspruch noch ein Anspruch auf Ersatz des Wertes oder der Beschaffungskosten bestehe.
Zwar bleibe es dabei, dass Anforderungen an die ärztliche Verordnung im Sinne der sicheren Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln uneingeschränkt gelten. „Wenn eine Krankenkasse allerdings letztlich von ihrer Leistungspflicht gegenüber ihrem Versicherten frei wird und der Versicherte trotz unbedeutender formaler Fehler das von dem Arzt oder der Ärztin verordnete Arzneimittel unter Berücksichtigung der Regelungen des SGB V erhalten hat, ist es unverhältnismäßig wenn die Apotheke keine Erstattung für das abgegebene Arzneimittel erhält.“
Als Beispiel wird die Verwendung einer Abkürzung auf der Verordnung genannt. „Es ist im Sinne der Versicherten erforderlich, dass die Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln nicht durch unnötige bürokratische Hürden behindert wird.“
Die Schaffung eines geeigneten Interessenausgleichs, der Fehlanreize vermeide, sei der Selbstverwaltung zu überlassen. „Es können etwa Regelungen zu Heilungsmöglichkeiten für Formverstöße vereinbart werden“, heißt es. „Zudem können auch Regelungen vorgesehen werden, die lediglich eine teilweise Retaxation beinhalten.“ Dabei müsse jedoch berücksichtigt werden, dass „den Krankenkassen kein unverhältnismäßiger, kostenträchtiger Verwaltungsaufwand entsteht“.
Der Kassenabschlag wird auf 1,77 Euro festgeschrieben; die Vorgaben zur Verhandlung einer leistungsgerechten Vergütung unter Berücksichtigung der Einnahmen mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und der Kosten bei wirtschaftlicher Betriebsführung wird gestrichen.
In der Begründung wird auf das zähe Ringen um den Abschlag für das Jahr 2013 verwiesen, das erst im Rahmen des Schiedsstellenverfahrens zu einem Konsens bis zum Jahr 2015 geführt habe. Über das Verhältnis zwischen den „sich teilweise überschneidenden Anpassungsparametern“ zum Abschlag und denen zum Festzuschlag habe kein gemeinsames Verständnis entwickelt werden können.
„Um daraus resultierende Konflikte zu vermeiden, wird die Höhe des Apothekenabschlags gesetzlich festgeschrieben.“ Die Höhe entspreche dem gemeinsamen Vorschlag der Vertragspartner. Auf Grund der gesetzlichen Festlegung der Höhe können die bisher vorgesehenen Parameter für die Anpassung des Apothekenabschlags entfallen.
Kontroverser dürfte die Neuregelung zur Beteiligung von Apotheken an besonderen Versorgungsformen aufgenommen werden: Im SGB V heißt es dazu, dass Apotheken an vertraglich vereinbarten Versorgungsformen beteiligt werden können. Die Angebote sind öffentlich auszuschreiben; in den Verträgen sollen auch „Maßnahmen zur qualitätsgesicherten Beratung des Versicherten durch die Apotheke“ vereinbart werden.
„In der integrierten Versorgung kann in Verträgen nach Satz 1 das Nähere über Qualität und Struktur der Arzneimittelversorgung für die an der integrierten Versorgung teilnehmenden Versicherten auch abweichend von Vorschriften dieses Buches vereinbart werden“, hieß es bislang.
Weil Apotheken aber nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2008 nicht als Partner der integrierten Versorgung in Frage kommen, wird die Formulierung jetzt durch den Begriff der „besonderen Versorgung“ ersetzt. Dies sei eine „Folgeänderung zur Bündelung der Vertragskompetenzen der Krankenkassen“, heißt es zur Begründung.
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