„Die Verlässlichkeit ist bei der FDP am größten“ APOTHEKE ADHOC, 28.08.2013 10:24 Uhr
Die FDP befindet sich im Wahlkampf und muss auch bei Apothekern verlorenes Terrain zurückgewinnen. Im Video-Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, warum die Apotheker aus seiner Sicht die FDP wählen sollten, warum er nichts von „Apothekenbüsschen“ hält und was er – sollte er im Amt bleiben – mit den Apotheken in den kommenden vier Jahren vorhat.
ADHOC: Warum sollen die Apotheker die FDP wählen?
BAHR: Die Apotheker wissen, dass mit der FDP im Gesundheitsministerium viele gute Entscheidungen getroffen worden sind. Erstmals ist die Fixpauschale angepasst worden, durch den Wirtschafts- und den Gesundheitsminister gemeinsam, da hat es lange Jahre keine Veränderungen gegeben. Wir haben erstmals dafür gesorgt, dass der Notdienst als Gemeinwohlaufgabe vergütet wird – auch das hat es in keinem Bereich im Gesundheitswesen bisher gegeben. Wir haben für fairen Wettbewerb gesorgt: Ausländische Versandapotheken müssen sich wie die niedergelassenen Apotheken an die Arzneimittelpreisverordnung halten. Und wir stehen wie keine andere Partei ohne Wenn und Aber zu dem Fremd- und Mehrbesitzverbot. Ich glaube, dass sind gute Gründe, damit die FDP weiter Verantwortung in der Gesundheitspolitik hat.
ADHOC: Warum FDP und nicht Union?
BAHR: Ich höre jetzt den Vorschlag eines „Apothekenbüsschens“ und stelle mir vor, dass ein Apotheker wie ein Eisverkäufer herumfährt, mit der Klingel läutet und sagt: „Jetzt gibt es Medikamente.“ Wie soll das gehen? Eine Apotheke hat Anforderungen nach der Apothekenbetriebsordnung – die wir im Übrigen auch novelliert haben und viele Wünsche aus der Apothekerverbandlandschaft umgesetzt haben. Ich glaube, die Apotheker wissen schon, dass man nicht alles erreichen kann und dass noch nicht alles erreicht worden ist. Deshalb stellen wir uns erneut zur Wahl. Aber es ist doch viel erreicht worden. In der Union gab es immer wieder Stimmen, die Fremd- und Mehrbesitz in Frage stellen. Die Verlässlichkeit ist bei der FDP am größten.
AHDOC: Im Wahlprogramm der Union stehen „rollende Apotheken“, DocMorris fährt Apothekenbus – wie finden Sie das?
BAHR: Erfreulicherweise ist das ja kein Apothekenbus, sondern ein Werbebus, in dem Broschüren verteilt werden. Da werden ja keine Medikamente ausgegeben. Das dürfte auch gar nicht sein, denn ein Bus darf nicht den Eindruck erwecken, eine Apotheke zu ersetzen. Mich überrascht das, ich habe davon das erste Mal gehört im Wahlprogramm, ohne dass ich eine Debatte in der Union erlebt hatte. Danach kam der Bus, das müssen andere beurteilen, ob es da Zusammenhänge gibt.
ADHOC: Die Apotheken wurden vor allem durch das AMNOG stark belastet. Was sagen Sie zu dem Vorwurf, nur auf den letzten Metern kleine „Wahlgeschenke“ verteilt zu haben?
BAHR: Es stimmt, einige Apotheken wurden deutlich belastet, weil der Großhandel seine Position ausgenutzt hat. Andere waren stärker in den Verhandlungen – die Großhandelsvergütung ist immer ein Stück Wettbewerb. Aktuell höre ich wieder von einem harten Preiswettbewerb insbesondere der drei großen Großhändler, die sich überbieten in einer Rabattschlacht. Ich kann das nicht beurteilen, aber das zeigt, dass da immer ein Stück Spielraum drin ist. Man kann nicht pauschal sagen, dass alle Apotheken so oder so gestellt waren, das ist scheinbar sehr individuell.
ADHOC: Gibt es nach der Wahl ein AMNOG II?
BAHR: Das AMNOG steht und ich glaube es funktioniert, aber wir betreten Neuland. Das Gesetz muss natürlich für die Frage der Nutzenbewertung immer wieder angepasst werden: Wir sehen Versuche bei der Schiedsstelle, einen Automatismus einzuführen, den die Politik nie wollte. Aber was die Großhandelsvergütung angeht, das war ja die Frage beim AMNOG, da sehe ich keinen Änderungsbedarf.
ADHOC: Was haben die Apotheken von Ihnen zu erwarten?
BAHR: Wir müssen auch die Vergütung immer wieder anpassen, wenn Kosten und Aufwand gestiegen sind. Ich bin skeptisch bei immer mehr Einzelleistungsvergütungen für Gemeinwohlaufgaben, weil ich glaube, dass diese Gemeinwohlaufgaben das Fremd- und Mehrbesitzverbot rechtfertigen. Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen, wir brauchen mehr Service, mehr Orientierung an der Beratungsqualität, denn das ist das Pfund der Apotheker. Ich will den Freiberuf erhalten, auch in der Diskussionen um Korruption, weil die Freiberuflichkeit auch im Heilberuf unser Gesundheitswesen so stark macht.
ADHOC: Und was erwarten Sie von den Apothekern?
BAHR: Ich erwarte von den Apotheker, dass sie sich konstruktiv einbringen. Wir werden nie in allen Punkten einer Meinung sein können. Wenn ein einzelner Apotheker eine eigene Partei gründet und nur einen anderen Apotheker aufnimmt, muss er Kompromisse schließen, das geht gar nicht anders. Aber wir haben im Dialog viele Probleme gelöst, vieles vorangebracht. Wenn die Apotheker gerade die Beratungsqualität, ihre Aufgabe vor Ort in der Versorgung, weiter ausbauen, dann ist das das Leitbild des Apothekers. Aber das ist eine Diskussion, die innerhalb der Apothekerschaft geführt werden muss.
ADHOC: Wird es ein Apothekensterben geben?
BAHR: Ich bin nicht dafür zuständig, eine Garantie für jede Apotheke zu geben. Und die Apotheker, die das von mir fordern, haben glaube ich eines nicht verstanden, nämlich dass wir eine Niederlassungsfreiheit haben und kein Lizenzsystem. Ich möchte, dass wir weiterhin Freiheit haben. Das heißt aber auch, dass nicht jede Apotheke eine Garantie vom Gesundheitsminister bekommen kann, sondern jede Apotheke muss wirtschaftlich arbeiten und muss sich am Markt behaupten.
ADHOC: Wie viele Apotheken gibt es 2017?
BAHR: Wir haben heute eine gute Versorgung. Ob es jetzt ein paar mehr oder weniger sind, sagt nichts über die Versorgung insgesamt aus. Ich habe dafür gesorgt, dass in der Fläche Apotheken mit mehr Nacht- und Wochenenddiensten jetzt eine Unterstützung bekommen. Das heißt, ich habe dort dafür gesorgt, wo wir die Flächenversorgung für die ländliche Bevölkerung weiter brauchen. Ich möchte, dass es weiterhin eine wohnortnahe Apothekenversorgung gibt. Ob hier im Großraum Berlin im scharfen Wettbewerb in der einen oder anderen Straße vielleicht eine Apothekenfiliale 2017 nicht mehr da ist, das kann ich nicht garantieren. Aber in der Fläche möchten wir eine gute Versorgung weiter gewährleisten.
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