Betriebsprüfung

Bundesfinanzhof stoppt gierigen Fiskus

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Berlin -

So gewissenhaft der Apotheker bei seiner Buchführung war – der Betriebsprüfer findet trotzdem etwas. Er bleibt unerbittlich und verhängt eine Steuernachzahlung. Besonders ärgerlich: Für den gesamten Zeitraum muss der Apotheker rückwirkend auch noch hohe Zinsen zahlen. Zumindest damit dürfte bald Schluss sein: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erheblich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen. Denn der Gesetzgeber müsse das aktuelle Niedrigzinsniveau berücksichtigen.

Bei dem in München verhandelten Fall ging es nicht um die Betriebsprüfung einer Apotheke, aber das Urteil dürfte sich auf die Arbeit aller Finanzämter auswirken. Hier wurde die Einkommensteuer für 2009 zunächst auf 159.139 Euro festgesetzt. Nach einer Betriebsprüfung forderte das Finanzamt im November 2017 dann allerdings 2.143.939 Euro.

Zu der Nachzahlung von 1.984.800 Euro schickte das Finanzamt einen Zinsbescheid für den Zeitraum vom April 2015 bis Mitte November 2017. Die Nachzahlungszinsen beliefen sich auf 240.831 Euro. Der geplagte Steuerzahler beantragte eine Aussetzung des Verfahrens, da die Höhe der Zinsen von einem halben Prozent für jeden Monat verfassungswidrig sei. Das Finanzamt und das Finanzgericht lehnten dies ab.

Der Steuerpflichtige ging in Revision und hatte Erfolg: Der BFH hat dem Antrag stattgegeben und die Vollziehung des Zinsbescheids in vollem Umfang ausgesetzt. Demnach „bestehen im Hinblick auf die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit“ der Regelung in der Abgabenordnung.

Denn die Nachzahlungszinsen gibt es, um den Vorteil des Steuerpflichtigen auszugleichen, falls er die zunächst nicht gezahlten Steuern gewinnbringend anlegen kann. Das ist beim aktuellen Zinsniveau aber kaum möglich. Jedenfalls bekommt man derzeit keinesfalls rund 6 Prozent Zinsen.

Aus Sicht des BFH verletzt die „realitätsferne Bemessung des Zinssatzes“ denn auch den allgemeinen Gleichheitssatz im Grundgesetz. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveaus strukturell und nachhaltig verfestigt habe, so das Gericht.

Die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover begrüßt die Entscheidung aus München: „Eine Anpassung der Nachzahlungszinsen an das aktuelle Zinsniveau war längst überfällig“, sagte ein Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC. Allerdings sei das Urteil noch mit Vorsicht zu genießen, weil der BFH in einem Einzelfall entschieden habe und noch andere Fälle beim Bundesverfassungsgericht anhängig seien.

Die vom Fiskus geforderte Zinshöhe ist seit 1961 unverändert. Eine sachliche Rechtfertigung dafür sah der BFH bei seiner summarischen Prüfung nicht. Dass der Zinssatz nicht regelmäßig an den Markt oder den Basiszins angepasst wird, lässt sich den Richtern zufolge nicht mehr mit einer Vereinfachung für die Verwaltung rechtfertigen. Die moderne Datenverarbeitungstechnik in der Steuerverwaltung lassen eine Anpassung aus Sicht des BFH praktikabel erscheinen.

Der aktuelle Zinssatz sei dagegen unbegründet. Ein potenzieller Zinsnachteil des Fiskus, der den nicht gezahlten Steuerbetrag nicht anderweitig nutzen konnte, erscheine angesichts des sehr niedrigen und teilweise sogar negative Zinssätze ausweisenden Refinanzierungsniveaus am Kapitalmarkt nahezu ausgeschlossen. „Eine kurzfristige 'Fremdfinanzierung' durch den Fiskus – in Gestalt einer Erhöhung der Neuverschuldung – ist für den Bund schon seit einigen Jahren praktisch zum 'Nulltarif' zu haben“, heißt es im Urteil.

Laut BFH bestehen überdies „schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel“, ob der Zinssatz dem Übermaßverbot entspricht. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirke in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung. Jetzt müsse der Gesetzgeber prüfen, ob die Zinshöhe herabgesetzt werden müsse. Dies habe er selbst auch erkannt, aber gleichwohl bis heute nichts getan. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung vereinnahmte der Fiskus im Bereich der Zinsen nach § 233a AO in den vergangenen Jahren mehr als 2 Milliarden Euro.

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