Einen Monat hat die Bundesärztekammer zum (BÄK) EuGH-Urteil geschwiegen, eine Stellungnahme abgelehnt. Stattdessen hatten sich die Ärztekammern in Bayern, Sachsen, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe klar und deutlich gegen die Freigabe von Rx-Boni für ausländische Versandapotheken positioniert. Jetzt zieht die BÄK als eine der letzten Organisationen der Heilberufe nach und stellt sich an die Seite der ABDA: „Ich sehe das Urteil mit großer Sorge“, verkündete der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery.
Montgomery warnte vor grundsätzlich negativen Konsequenzen: „Es gehört zum Gestaltungsbereich der EU-Mitgliedstaaten, ihr Gesundheitswesen selbst zu regeln. Der EuGH greift jetzt in diesen Gestaltungsbereich ein, indem er die Arzneimittelpreisbindung kippen will. Davon mögen ausländische Anbieter profitieren. Es geht aber zu Lasten des freiberuflich ausgestalteten Apothekenwesens in Deutschland, das sich unter anderem durch persönliche Beratung vor Ort und ein Vollsortiment an Arzneimitteln auszeichnet.“ Der ABDA-Forderung nach einem Rx-Versandverbot schließt sich die BÄK aber nicht explizit an.
Gemeinwohlorientierung, hohe berufliche Qualifikation sowie persönliche und eigenverantwortliche Arbeit seien Kennzeichen der freiberuflichen Tätigkeit von Ärzten, Apothekern und Zahnärzten. Sie bildeten das Fundament der hochwertigen Gesundheitsversorgung in Deutschland und dürften nicht in Frage gestellt werden. Offenbar fürchtet der BÄK-Präsident Auswirkungen des EuGH-Urteils für die ärztliche Honorarordnung: Die einheitliche Vergütung von Leistungen sei ein zentrales Merkmal der Gesundheitsversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung, das man nicht en passant aushebeln dürfe.
Die Politik in Deutschland müsse sich zu dem bewährten System bekennen und das Heft des Handelns in der Hand behalten. Montgomery: „Da geht es um etwas Prinzipielles. Der Gesetzgeber darf sich hier nicht den Schneid abkaufen lassen. Deshalb ist es nur konsequent, wenn das Bundesgesundheitsministerium jetzt einen Gesetzentwurf plant, mit dem der Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten und die Situation wieder geheilt werden kann.“
Der EuGH hatte am 19. Oktober entschieden, dass ausländische Versandapotheken die in Deutschland geltende Arzneimittelpreisverordnung für verschreibungspflichtige Arzneimittel unterlaufen und Patienten Lockangebote machen dürfen. Nun wird in Deutschland ein generelles Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Medikamente diskutiert.
Auch der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst, hatte sich bereits für ein generelles Verbot des Rx-Versandhandels ausgesprochen. Das EuGH-Urteil zu Rx-Boni betreffe nicht nur die Apotheker, sagte Dr. Franz Joseph Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein. Auch Ärzte sollten sich nicht zu sicher vor Eingriffen der EU-Gesetzgebung fühlen. Denn die Entwicklung europäischer Normen mache auch vor medizinischen Leistungen nicht halt, warnte er im Interview mit APOTHEKE ADHOC.
Kammern und Verbände der Heilberufe in Sachsen-Anhalt kritisierten das EuGH-Urteil ebenfalls und bezeichneten das Rx-Versandverbot als eine „zielführende Option“. Dem deutschen Souverän würden durch das Urteil die Gestaltungsmacht über einen Kernbereich des nationalen Gesundheitssystems entzogen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. In der Folge sei zu befürchten, dass auch in Deutschland die Arzneimittelpreisbindung und damit erstmals die Honorarordnung eines freien Heilberufes zu Fall gebracht werde.
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