Bund soll Länder an die Leine nehmen APOTHEKE ADHOC, 06.05.2009 12:33 Uhr
Heute in zwei Wochen wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) zum deutschen Fremdbesitzverbot für Apotheken entschieden haben. Erst dann wird sich zeigen, ob die Angelegenheit zum Ernstfall für die Bundesregierung und den Bundesgesetzgeber wird - oder nicht. Denn sollten die EU-Richter die deutschen Regeln kippen, herrscht dringender politischer Handlungsbedarf. Zu diesem Ergebnis kommt ein Kurzgutachten der beiden Juristen Professor Dr. Hilko J. Meyer, Dekan des Fachbereichs Wirtschaft und Recht der Fachhochschule Frankfurt am Main, und Rechtsanwalt Dr. Johannes Pieck, ehemaliger Sprecher der Geschäftsführung der ABDA. Ihr auf der Website der FH Frankfurt veröffentlichtes Papier setzt sich mit den möglichen Folgen des Urteils für den Fall auseinander, dass der EuGH nicht dem Votum des Generalanwalts folgt. Eine Prognose zum Ausgang des Verfahrens selbst verbinden die Autoren damit nicht.
Zwar habe der EuGH keine Verwerfungskompetenz bezüglich des deutschen Rechts; das deutsche Fremdbesitzverbot sei also nicht automatisch nichtig, falls ein Verstoß gegen EU-Gemeinschaftsrecht festgestellt werde. Und auch eine vom Gericht festgestellte Unanwendbarkeit des Verbots auf Anträge aus anderen EU-Staaten führe nicht unmittelbar zu einem Zulassungsanspruch für ausländische Kapitalgesellschaften. Doch gerade die Haltung der saarländischen Landesregierung zeige, welche Probleme im Falle eines Falles auf die Bundesregierung zukämen.
Meyer und Pieck verweisen auf den Auftritt des Staatssekretärs im saarländischen Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales, Wolfgang Schild (CDU), vor dem Europäischen Gerichtshof. Schild hatte in der mündlichen Verhandlung nicht nur dem deutschen Gesetzgeber „Treuewidrigkeit“ vorgeworfen, sondern sich auch mit Nachdruck gegen die Forderung der Bundesregierung nach einer Übergangsfrist ausgesprochen: „Es wird kein rechtsloser Zustand ausbrechen“, so Schild.
Doch genau damit rechnen die beiden Gutachter für den Fall eines für die Apotheker negativen Urteils: Während Schild die bestehenden Regeln der Apothekenbetriebsordnung und die Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden für ausreichend hält, um Einbußen bei der Versorgung zu verhindern, kommt laut Meyer und Pieck eine „analoge Anwendung“ der Vorschriften auf Kapitalgesellschaften nicht in Betracht.
„Das Apothekengesetz ist in allen seinen Bestimmungen auf die inhabergeführte Einzelapotheke ausgerichtet, die auch dann, wenn sie bis zu drei Filialapotheken hat, durch den persönlich verantwortlichen, akademisch ausgebildeten Apotheker als Inhaber der Hauptapotheke betrieben wird“, so die Juristen. „So einfach, wie es sich das Saarland mit der Betriebserlaubnis für die Saarbrücker DocMorris-Filiale gemacht hat - einzige Klausel war die anfängliche Einsetzung der bisherigen Inhaberin als Apothekenleiterin - geht es jedenfalls nicht.“
Für den „Worst-Case“ hat der Gesetzgeber den beiden Gutachtern zufolge eine ganze Reihe von Punkten zu regeln, um den Gesundheitsschutz „zwar nicht mit gleicher Wirksamkeit, aber unter Beachtung der Vorgaben des EuGH soweit wie möglich gleichwertig“ sicherzustellen. Dazu zählen unter anderem die Verpflichtungen, keine Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt anzubieten sowie keine Rechtsgeschäfte oder Absprachen mit Ärzten hinsichtlich der Abgabe von Medikamenten oder der Zuführung von Patienten oder Rezepten zu treffen.
Auch müsse geregelt werden, ob Ärzte, Pharmahersteller oder Betreiber Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) Apotheken besitzen dürfen und ob vollversorgende Großhändler einer „Neutralitätspflicht“ gegenüber den Apotheken unterworfen werden können.
Intensiv müsse sich der Gesetzgeber mit den „innerbetrieblichen Machtverhältnissen“ auseinander setzen. Während laut Schild nur wenige Fälle „überhaupt denkbar“ sind, in denen sich Weisungen an die angestellten Apotheker auswirken können, rechnen die beiden Gutachter mit einem zwangsläufigen Spannungsfeld zwischen Eigentümer und Apothekenleiter.
„Als notwendiges Korrektiv zum Direktionsrecht eines künftigen 'Fremdbesitzers', erscheint eine wirksame gesetzliche Sicherung der Unabhängigkeit des Apothekenleiters unabdingbar“, schreiben die beiden Gutachter. Entsprechend müsse der Inhaber gesetzlich verpflichtet werden, dem Apothekenleiter alle erforderlichen Befugnisse einzuräumen, um den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke sicherzustellen und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen, auch mit Blick auf die personelle Ausstattung.
Außerdem müsse der Betreiber dem Apothekenleiter alle zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen und diesem umgekehrt garantieren, alle Vorschläge und Bedenken unmittelbar der Geschäftsleitung vortragen zu können. Differenzen seien schriftlich mitzuteilen und zu begründen.
Eine Kündigung des Arbeitsvertrages aufgrund von Maßnahmen oder Anordnungen, die der Apothekenleiter zur Umsetzung seiner beruflichen Pflichten getroffen hat, sollen per Gesetz ausgeschlossen werden, empfehlen die Gutachter.
Die Ernennung eines rechtlich zulässigen Apothekenleiters, die der Behörde schriftlich anzuzeigen ist, reicht Meyer und Pieck nicht aus: Auch der Betreiber der Apotheke soll seine Zuverlässigkeit nachweisen. So sollen Kapitalgesellschaften nur dann eine Betriebserlaubnis erhalten, wenn sie ihren Sitz in Deutschland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben und die Geschäftsführer die Voraussetzungen an die persönliche Zuverlässigkeit erfüllen.
Weder der bekannt gewordene Kaufvertrag der Celesio-Tochter Admenta noch die 2007 erteilte Betriebserlaubnis für die DocMorris-Apotheke in Saarbrücken werden laut Meyer und Pieck den vorgeschlagenen Bedingungen und Voraussetzungen gerecht. Da nach deutschem Verfassungsrecht eine einmal erteilte Betriebserlaubnis aber wegen des damit möglicherweise eingetretenen Eigentumsschutzes nur schwer rückgängig zu machen sei, fordern die beiden Juristen im Fall der Fälle eine rasche Regelung.
„Rechtsfolge eines solchen Urteils wäre, wie die Bundesregierung zurecht vorgetragen hat, nicht die Pflicht Deutschlands zur unmittelbaren Zulassung von Kapitalgesellschaften, sondern zur Schaffung eines Erlaubnistatbestandes für Kapitalgesellschaften“, so die Gutachter. „Auch europarechtlich besteht damit ein berechtigter Anspruch des deutschen Gesetzgebers, die Erteilung einer Betriebserlaubnis an Kapitalgesellschaften auf einen Zeitpunkt zu verschieben, an dem die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen wurden.“
„Dieser Anspruch muss jedoch wahrgenommen werden“, mahnen Meyer und Pieck. „In einem föderalistischen Staat wie Deutschland heißt dies, dass der Bund seine Zuständigkeit für den Erlass des Apothekengesetzes ausüben muss und die Länder nach dem geltenden Grundsatz der Bundestreue auf eigene Maßnahmen zu verzichten haben, die der Bundeszuständigkeit widersprechen.“ Ansonsten droht den beiden Gutachtern zufolge eine „Zersplitterung der Rechtspraxis in den einzelnen Bundesländern“.
Gerade mit Blick auf den Alleingang der saarländischen Landesregierung fordern die beiden Gutachter, dass der Gesetzgeber den Landesbehörden per Verordnung die Erteilung von Betriebserlaubnissen an Nichtpharmazeuten vorläufig untersagt, um den entsprechenden gesetzlichen Rahmen zu schaffen. So soll sichergestellt werden, „dass durch eine Novellierung des Apothekengesetzes vor Erteilung solcher Erlaubnisse sichergestellt wird, dass in allen Ländern und für alle Fremdbesitzapotheken künftig die gleichen gesetzlichen Bedingungen gelten und gegebenenfalls behördlich durchgesetzt werden können.“