Bürgertests: Lucha will weitere Einschränkungen Patrick Hollstein, 10.11.2022 18:07 Uhr
Während im Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Verlängerung der Testverordnung (TestV) vorbereitet wird, regt Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) eine Anpassung der Teststrategie an. in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) fordert eine weitere Einschränkung der Bürgertests – und eine Professionalisierung der Testzentren.
„Ich halte eine anlasslose Testung asymptomatischer Personen nicht mehr für angezeigt und appelliere eindringlich an Sie, die Bürgertestungen nur noch auf diejenigen Testungen zu begrenzen, die dem Schutz vulnerabler Gruppen dienen. Diese sollten auch zukünftig kostenfrei angeboten werden“, schrieb Lucha.
Zudem sollte laut Lucha „endlich“ eine Professionalisierung der Teststellen erfolgen. Bürgertests sollten nur noch in Arztpraxen, Apotheken, von Rettungsdiensten und den Öffentlichen Gesundheitsdiensten durchgeführt werden dürfen.
Verlängerung der Testverordnung
Bezahlt wurden die für die Bürger kostenlosen Tests zunächst vom Bund. Zum 30. Juni wurden die kostenlosen Bürgertests für Menschen ohne Symptome im Grunde ausgesetzt. Sie sind jedoch noch für bestimmte Risikogruppen und Anlässe kostenlos. In vielen anderen Fällen wird eine Zuzahlung von drei Euro fällig. die Testverordnung, welche unter anderem die Bürgertests regelt, tritt zum aktuellen Stand mit Ablauf des 25. Novembers 2022 außer Kraft. Es gibt laut Lucha Signale, wonach die TestV unverändert verlängert werden soll.
Nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) werden weiterhin Millionen an Tests von aktuell etwa 2000 Teststellen im Land abgerechnet. „Heute stellt sich die Frage, ob überhaupt noch Teststellen benötigt werden. Aus unserer Sicht wird viel Geld für die Tests ausgegeben, was eigentlich nicht erforderlich wäre und sicherlich aktuell sinnvoller verwendet werden kann“, sagte ein Sprecher.
Hintergrund für die Debatte sind neue Erkenntnisse zu den Schäden durch Abrechnungsbetrug im Zusammenhang mit angeblichen Corona-Testzentren. Diese liegen in Baden-Württemberg bei mindestens 76 Millionen Euro. Auf diese Summe kamen Staatsanwaltschaften durch die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der vergangenen zwei Jahre, wie eine Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Anton Baron ergab. In 30 bis 40 Ermittlungsverfahren sei eine Bezifferung des Schadens noch überhaupt nicht möglich, hieß es in der Antwort weiter.
Aktuelle Ermittlungsverfahren
In Baden-Württemberg seien demnach aktuell etwa 155 Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des Corona-Abrechnungsbetrugs anhängig. Rund 60 derartige Ermittlungsverfahren seien in den vergangenen 24 Monaten abgeschlossen worden. Das Justizministerium erwartet für das Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr eine rückläufige Schadenssumme.
Nach Auskunft der Staatsanwaltschaften wurde ein Teil des Schadens durch den massiven Betrug sichergestellt. Durch Pfändungen von Konten oder Einzug sonstiger Vermögen kamen immerhin rund 41 Millionen Euro zusammen. Einiges Geld - nämlich rund 580.000 Euro – wanderte ins Ausland. Die Transaktionsempfänger befanden sich in Kroatien (250.000 Euro), in der Türkei (257.000 Euro) und Luxemburg (20.600 Euro). Neun Beschuldigte flüchteten ins Ausland, sieben sitzen wegen des Verdachts auf Betrug in Untersuchungshaft.