Buchpreisbindung: Gut für Leser, gut für Autoren, gut für Läden APOTHEKE ADHOC, 13.11.2019 11:11 Uhr
Wie Rx-Arzneimittel unterliegen in Deutschland auch Bücher einer strengen Preisregulierung. Im Sommer 2018 hatte die Monopolkommission die Bundesregierung aufgefordert, die Buchpreisbindung abzuschaffen. Daran wollen Union und SPD aber festhalten. Jetzt belegt eine neue Studie im Auftrag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels deren Nutzen: Es gibt mehr unabhängige Buchhandlungen, es wird mehr gelesen, die Buchpreise sind im Durchschnitt günstiger und auch weniger bekannte Autoren haben bessere Chancen. Ein weiteres Gutachten belegt die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht.
Die Gutachter um Volkswirtschaftler Professor Dr. Georg Götz von der Universität Gießen haben unter anderem die Buchmarktentwicklung in Deutschland und Großbritannien verglichen: Während im Königreich nach Abschaffung der Buchpreisbindung die Zahl der unabhängigen Buchhandlungen von 1995 bis 2001 um rund 12 Prozent gefallen ist, liegt in Deutschland im Zeitraum 1995 bis 2002 lediglich ein Rückgang von 3 Prozent vor. In Deutschland ist zudem die Marktkonzentration deutlich geringer: In Großbritannien hat allein Amazon einen Marktanteil von rund 45 bis 50 Prozent, kleine Buchhandlungen nur etwa 5 bis 10 Prozent. In Deutschland entfallen auf den gesamten Online-Buchhandel nur etwa 20 Prozent des Umsatzes, während rund 30 Prozent im unabhängigen Buchhandel und rund 20 Prozent bei den Filialisten erwirtschaftet werden.
Götz: „Auf Grundlage einer umfassenden, bisher so nicht verfügbaren Datenmenge aus zahlreichen Ländern konnten wir die wirtschaftlichen Auswirkungen der Buchpreisbindung auf den Buchmarkt tiefgehend analysieren. Wir haben viele positive Effekte der Preisbindung auf den Buchmarkt festgestellt. So fördert die Preisbindung die Verbreitung von Büchern, indem sie eine große Zahl an Buchhandlungen ermöglicht, die ihrerseits die Nachfrage nach Büchern fördern. Zudem konnten wir nachweisen, dass Buchhandlungen eine entscheidende Rolle bei der Förderung weniger bekannter Autorinnen und Autoren und unbekannter Titel spielen.“
Laut Gutachten fördert der stationäre Buchhandel fördert die Buchnachfrage: „Schließt in Deutschland eine Buchhandlung, werden dadurch jährlich im Schnitt etwa 6100 Bücher weniger abgesetzt.“ Es komme somit nur teilweise zu einer Abwanderung der Käufer in den Online-Handel und zu E-Books. Insgesamt seien durch den Wegfall von Buchhandlungen bundesweit von 2014 bis 2017 rund 3,5 Millionen Bücher weniger verkauft worden – das entspreche rund 56 Prozent des gesamten Absatzrückgangs. Der Absatzrückgang von Büchern in Deutschland habe sich zwischen 2014 und 2017 durch den Effekt der Schließung von Buchhandlungen verdoppelt.
Der Durchschnittspreis für Bücher ist laut Gutachten in Großbritannien nach Abschaffung der Preisbindung zwischen 1996 und 2018 um 80 Prozent gestiegen. Der Anstieg sei wesentlich stärker als im selben Zeitraum in Ländern mit Preisbindung wie Frankreich (plus 24 Prozent) und Deutschland (plus 29 Prozent). Nur Bestseller sind in Großbritannien günstiger als in Deutschland. Bei etwa gleichem Absatzanteil machen die 500 umsatzstärksten Titel in Deutschland rund 26,6 Prozent, in Großbritannien 21,5 Prozent am Gesamtumsatz aus. Die Analyse der 50.000 meistverkauften Titel in Großbritannien von 2005 bis 2018 zeigt: Je besser der Verkaufsrang, desto höher ist der Rabatt, den die Händler im Durchschnitt auf die unverbindliche Preisempfehlung der Verlage geben und desto günstiger ist damit das Buch für den Kunden.
Die Buchpreisbindung fördert laut Gutachten aber den Absatz von Titeln jenseits der Bestseller. In Deutschland ist die Nachfrage nach Büchern breiter über das gesamte Buchangebot verteilt. Betrachtet man die Titel auf den Verkaufsrängen 15.000 bis 50.000, so haben diese in Deutschland mit 20,5 Prozent einen deutlich höheren Anteil an den im Markt verkauften Büchern als in Großbritannien (15,3 Prozent). Der stationäre Buchhandel fördert laut Gutachten auch die Entdeckung von unbekannten Titeln und Autoren. Von 420 Belletristik-Titeln, die zwischen 2011 und 2018 erst nach drei Wochen oder später auf den 20 vordersten Plätzen der Bestsellerlisten eingestiegen sind, waren bei 237 (56,4 Prozent) die Verkäufe im Buchhandel vor Ort für den Einstieg allein entscheidend, bei 171 weiteren (40,7 Prozent) maßgeblich mitverantwortlich.
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, zu den Ergebnissen: „Wir haben es erneut Schwarz auf Weiß: Die Buchpreisbindung ist Garant für Qualität und Vielfalt auf dem Buchmarkt. Sie ist eine wichtige Grundlage dafür, dass Deutschland als zweitgrößter Buchmarkt weltweit Vorbildcharakter hat. Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass die Buchpreisbindung gerade in der heutigen Marktsituation ihren Schutzzweck erfüllt und mit dem europäischen Recht vereinbar ist. Seit fast 150 Jahren gibt es für Bücher in Deutschland gebundene Preise. Die Preisbindung garantiert ein engmaschiges Netz an Buchhandlungen, die wichtige Orte der Literaturvermittlung und unverzichtbarer Vertriebskanal gerade für kleine und mittelgroße Verlage sind. Aufgrund dieser wichtigen Funktion findet die Preisbindung auch in der Politik breite Unterstützung.“
In seinem Rechtsgutachten kommt zudem Professor Dr. Andreas Fuchs von der Universität Osnabrück zu dem Schluss, dass die Buchpreisbindung in Deutschland nicht den Marktzugang für ausländische Versandbuchhändler behindert. Versandbuchhandlungen hätten neben dem Preiswettbewerb ausreichend andere Wettbewerbsmöglichkeiten, um auf dem deutschen Buchmarkt Fuß zu fassen und konkurrenzfähig zu bleiben.
Das zeige etwa der kontinuierliche Anstieg des Marktanteils des Versandhandels am Buchmarkt auf zuletzt 20,7 Prozent in 2018 und insbesondere der wirtschaftliche Erfolg des Online-Händlers Amazon, der zum größten Bucheinzelhändler in Deutschland wurde und einen Anteil von rund 50 Prozent am Onlinegeschäft mit Büchern hat.
Fuchs: „Das deutsche Buchpreisbindungsgesetz ist mit dem EU-Recht vereinbar. Ausländischen Versandunternehmen wird der Zugang zum deutschen Buchmarkt nicht erschwert. Zudem ist der Schutz des Kulturguts Buch ein ausreichender Rechtfertigungsgrund für die Ausschaltung des Preiswettbewerbs auf der Handelsstufe. Zudem kompensieren die positiven Auswirkungen der Preisbindung auf den Buchmarkt und für die Verbraucher die Einschränkung des Wettbewerbs.“