Das Bundessozialgericht (BSG) entscheidet heute über den Hausarzt- und Hausapothekenvertrag der Barmer Ersatzkasse. Dabei geht es um die Frage, ob das Kooperationsmodell der Kasse die Voraussetzung für eine Integrierte Versorgung erfüllt. Nur in diesem Fall darf die Kasse Rechnungen für Krankenhäuser und Kassenärztliche Vereinigungen (KV) um insgesamt bis zu einem Prozent kürzen und die Gelder für das Modell einbehalten.
Sollte das BSG gegen die Barmer entscheiden, muss die Kasse alle seit 2005 für das Modell verwendeten Mittel zurückzahlen. „Es geht um einen zweistelligen Millionenbetrag“, sagte Detlef Böhler von der Barmer gegenüber APOTHEKE ADHOC. Doch die Kasse habe diesen Betrag vorsorglich zurückgestellt: „Wir werden die Beitragssätze nicht erhöhen, wenn wir vor Gericht verlieren sollten“, kündigte Böhler an.
Hausärzte werden für die Teilnahme mit einer „Koordinierungspauschale“ vergütet, Apotheker erhalten einen Bonus, wenn sie den Arzt auf Wechselwirkungen oder Fehlmedikationen hinweisen. Die Versicherten profitierten laut Böhler von der Festlegung auf einen Hausarzt und eine bestimmte Apotheke, da sie die Praxisgebühr nur in einem Quartal des Jahres bezahlen müssten und so bis zu 30 Euro im Jahr sparen könnten. Bislang haben sich nach Angaben der Kasse rund 39.000 Ärzte und etwa 18.500 Apotheken in das Modell eingetragen. Dies entspreche rund zwei Drittel der als Vertragsärzte zugelassenen Allgemeinmediziner und fast 90 Prozent der selbstständigen Apotheker. Mit mehr als 2 Millionen eingeschriebenen Versicherten hätten zudem rund 37 Prozent der Teilnahmeberechtigten einen Vertrag abgeschlossen.
Das BSG verhandelt heute außerdem über einen Vertrag der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) zur Kooperation mit Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen. „Wenn beide Urteile heute zu Ungunsten der Kassen ausgehen, ist die Integrierte Versorgung praktisch tot“, prognostizierte Böhler. Denn erst durch die Anschubfinanzierung sei das unternehmerische Risiko der Kassen begrenzt worden. „Wir halten aber an unserem Vertrag fest, egal wie das Verfahren ausgeht“, kündigte Böhler an.
Die Vorinstanzen haben jeweils gegen die Barmer entschieden. Bereits 2006 hatte das Sozialgericht Gotha nach einer Klage der KV Thüringen dem Barmer-Vertrag den Charakter der integrierten Versorgung abgesprochen. Die Richter hätten ihr Urteil damit begründet, dass es sich bei Apothekern nicht um eigenständige Heilberufler handle, erklärte Böhler: „Das ist schon ein starkes Stück.“ In nächster Instanz verwarf das Landessozialgericht Thüringen im vergangenen Jahr diese Einschätzung zwar, entschied aber dennoch zu Ungunsten der Kasse, da die Richter keine Schnittmenge zwischen Arzt und Apotheker bei der Versorgung ausmachen konnten. Nun muss das BSG letztinstanzlich darüber entscheiden, ob die Barmer noch bis zum Ende des Jahres die Anschubfinanzierung in Anspruch nehmen kann.
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