Rote Linie

BSG verbietet AOK Wahltarife nach PKV-Muster

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Berlin -

Seit 2007 dürfen Krankenkassen außer den vorgegebenen Regelleistungen auch Wahltarife anbieten. Als eine der ersten Kassen machte die AOK Rheinland/Hamburg davon Gebrauch und den Privaten Versicherern (PKV) Konkurrenz. Dagegen klagte die Continentale. Nach jahrelangem Rechtsstreit durch alle Instanzen verwarf das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel jetzt alle Wahltarife der AOK Rheinland/Hamburg und zog damit eine rote Linie zwischen GKV und PKV.  

Die Wahltarife waren 2007 mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz eingeführt worden. Wie die private Krankenversicherung basieren sie auf dem Kostenerstattungsprinzip, und die Ärzte können in Anlehnung an die GOÄ abrechnen. Nach den gesetzlichen Vorgaben müssen sich solche Wahltarife selbst tragen. Intensiver als andere Kassen nutzte die AOK Rheinland/Hamburg die Möglichkeit.

Bis zum gestrigen Urteil bot sie Tarife mit Kostenerstattung für eine Krankenbehandlung im Ausland, für Zuzahlungen sowie Ein- oder Zweibettzimmer im Krankenhaus, Zahnersatz und Zahnvorsorgeleistungen, kieferorthopädische Leistungen, Brillen sowie für ergänzende Leistungen der häuslichen Krankenpflege an. Nach Angaben der AOK Rheinland/Hamburg bestehen aktuell Wahltarifverträge mit rund 500.000 Versicherte. Die Continentale Krankenversicherung machte vor Gericht geltend, dass sie dadurch in ihrer Freiheit zur Berufsausübung ein geschränkt sei. In erster Instanz wies das Sozialgericht die Klage ab. Das Landessozialgericht (LSG) untersagte der AOK Rheinland/Hamburg bis auf die Wahltarife für Zahngesundheit und häusliche Krankenpflege das Angebot. Für die betroffenen Wahltarife gebe es keine Ermächtigungsgrundlage. Die AOK Rheinland/Hamburg mache hier unzulässige Konkurrenz.

Das Bundessozialgericht (BSG) bestätigte nun zunächst die Klagebefugnis der Continentale. Die gesetzlichen Schranken der gesetzlichen Krankenversicherung seien „Drittschützend“, sodass der Privatversicherer einen Unterlassungsanspruch geltend machen könne. Der Gesetzgeber habe nur Wahltarife mit höherer Kostenerstattung entsprechend der GOÄ gewollt, hier aber nicht eine Ausdehnung des Leistungskatalogs. Zulässig seien Wahltarife zudem auch nur für komplette Leistungsbereiche, etwa die Zahnbehandlung oder die stationäre Krankenhausbehandlung, nicht aber für ausgewählte Einzelleistungen, etwa Zahnersatz oder Einzelzimmer im Krankenhaus. Das BSG verbot damit auch die Tarife für Zahnbehandlung oder die stationäre Krankenhausbehandlung.

Jetzt steht die AOK Rheinland/Hamburg vor einem Problem: Für deren Vorstandsvorsitzenden Günter Wältermann ist das ein „Schlag ins Kontor“. „Ich sehe in unseren Wahltarifen eine gesellschaftliche Errungenschaft, weil sie Menschen einen Versicherungsschutz ermöglichen, die ihn in der PKV nur schwer oder gar nicht bekommen“, sagte er der Ärzte Zeitung. Bei den Wahltarifen der Kasse spielen Vorerkrankungen der Versicherten anders als in der Privaten Krankenversicherung keine Rolle.

Jetzt sollen den Versicherten neue Tarife angeboten werden: „Wir wollen mit Kooperationspartnern in der PKV Tarife entwickeln, die unseren Kunden denselben oder einen ähnlichen Schutz bieten wie bisher“, kündigte Wältermann an. Wichtig sei der AOK, dass der private Anbieter auf eine Gesundheitsprüfung und auf Wartezeiten verzichtet. Die genaue Ausgestaltung der neuen Policen ist aber noch ebenso wenig geklärt wie die Frage, ob die Kasse mit einem oder mehreren PKV-Anbietern zusammenarbeiten wird.

Der PKV-Verband begrüßte hingegen das Kasseler Urteil begrüßt. Die Angebote der AOK Rheinland/Hamburg überschritten den gesetzlichen Rahmen der GKV und führten zu unzulässigen Wettbewerbsverzerrungen, sagte der Direktor des PKV-Verbands, Dr. Florian Reuther. „Solche Wahltarife sind systemfremd in der GKV und ein Übergriff in einen funktionierenden privatwirtschaftlichen Versicherungsmarkt.“

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