„Ich schütze mich“, so lautete der Slogan einer Impfkampagne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) im Oktober 2022. Damals stiegen die Infektionszahlen wieder und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollte die Impfquoten mit der Kampagne stärken. Doch bei der Agenturwahl hat er sich wohl nicht an die Spielregeln gehalten: Der Bundesrechnungshof (BRH) hat Berichten von „ZDF heute“ und „Welt“ zufolge Verstöße gegen das Vergaberecht festgestellt.
Eigentlich hat sich das Ministerium bereits 2020 an die Agentur Scholz & Friends für die Informationsmaßnahmen bezüglich der Coronapandemie gebunden. Bevor das BMG eine andere Agentur hierfür beauftragen durfte, hätte es eine neue Ausschreibung geben und Angebote eingeholt werden müssen. Sonst wäre es ein Verstoß gegen das Vergaberecht.
Und trotzdem hat eine andere Agentur – laut BMG für 865.000 Euro – die Kampagne „Ich schütze mich“ entworfen, nämlich BrinkertLück. Brisant: Die Werbeagentur hatte auch die SPD-Kampagne im Bundestagswahlkampf 2021 verantwortet.
Die Opposition warf Lauterbach daraufhin Vetternwirtschaft vor und forderte Einsicht in die Vertragsdokumente. Das BMG hatte die Dokumente mit einer Geheimhaltungsstufe belegt – nach Einschätzung des BRH aber ohne hinreichende Begründung. So musste der Opposition doch die Einsicht gewährt werden, daraufhin hat auch der BRH selbst die Unterlagen ausgewertet.
Am 25. Juli hat, so erklärte das BMG auf eine Frage des Abgeordneten Tino Sorge (CDU) vom 15. März letzten Jahres, ein Treffen zwischen Referenten der Öffentlichkeitsarbeit des BMG, der Agentur Scholz & Friends und der Agentur BrinkerLück stattgefunden. Bei diesem Treffen wäre „ein erstes mündliches Einvernehmen bezüglich der Unterbeauftragung erzielt worden“.
Doch der BRH kommt zu einem anderen Ergebnis: Ein Unterauftrag liegt nicht vor, eine Ausschreibung hat es nicht gegeben. Die Kampagne stellt folglich einen Verstoß gegen das Vergaberecht dar.
Auf Anfrage bestätigte ein Sprecher des BRH, dass es einen Prüfbericht zu der Corona-Impfkampagne gebe, der vor zwei Tagen an den Haushaltsausschuss weitergeleitet worden sei. Daher könne er sich derzeit inhaltlich nicht zu dem Bericht äußern; im Wesentlichen stimme die Berichterstattung aber mit den Inhalten überein. Die Agenturnamen sind im Prüfbericht allerdings anonymisiert.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich bereits zu Beginn der Pandemie für die „Informationsmaßnahmen oder Unterstützung der Kommunikationsstrategie“ an die Werbeagentur Scholz & Friends gebunden. Damals sollten 22 Millionen dafür zur Verfügung stehen, der Projekttopf war 2021 noch mal auf 33 Millionen erhöht worden. Doch auch die Rechnung geht laut BRH nicht auf, denn es handele sich um Ausgaben von 44,8 Millionen Euro. Woher die Differenz kommt, sei noch ungeklärt.
„Die Ampelfraktionen haben die Pflichtverletzungen des Bundesgesundheitsministeriums über den gesamten Zeitraum gedeckt“, so Gesundheitspolitiker Sorge zu „ZDF heute“ und forderte Lauterbach zu einer öffentlichen Stellungnahme Bericht auf. Der Linken-Politiker Sören Pellmann fordert die Veröffentlichung aller Unterlagen. Auch von Koalitionspartner Professor Dr. Andrew Ullmann (FDP) ist Aufklärung gefordert worden.
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