Die Briten haben entschieden: Das Vereinigte Königreich wird die EU verlassen. Das besorgt unter anderem die deutsche Pharmaindustrie. Dr. Martin Zentgraf, Vorstandschef des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), bedauert den bevorstehenden Brexit und warnt vor den Folgen für die Arzneimittelversorgung.
„Wir sind heute in tiefer Sorge um die Europäische Union, um das gute Miteinander in Europa. Die Europäische Union verliert mit der Entscheidung Großbritanniens 16 Prozent ihrer Wirtschaftskraft und – viel wichtiger noch – sie verliert 13 Prozent ihrer Bevölkerung“, sagt Zentgraf.
Der Brexit sei aber auch ein Schlag für die Errungenschaften der Arzneimittelversorgung in Europa. Die EU schaffe durch einheitliche Anforderungen für die Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln die Voraussetzung für die länderübergreifende Versorgung mit sicheren und wirksamen Arzneimitteln. Sie schaffe einen einheitlichen Binnenmarkt, der den freien Verkehr mit Arzneimitteln ermögliche und damit die Versorgung über nationale Grenzen erleichtere und stabilisiere. Nicht zuletzt fördere sie grenzüberschreitend Forschung und Entwicklung in einem Maße, das einzelne Staaten nicht leisten könnten.
„Die pharmazeutische Industrie ist durch die enge Verflechtung Großbritanniens in der Europäischen Union gekennzeichnet. Uns verbinden über Jahrzehnte gewachsene wechselseitige Handelsverbindungen, die wir nun innerhalb von kurzer Zeit auf eine neue Grundlage stellen müssen – soweit dies überhaupt möglich sein wird“, so Zentgraf.
Großbritannien und Deutschland seien „starke Pharmastandorte“, betonte der BPI-Chef. „Es wird unsere Unternehmen große Anstrengungen kosten, die neuen bürokratischen Hürden zu nehmen, die nun in der Folge des Austritts Großbritanniens aus der Union auf uns zukommen“, so Zentgraf.
Auch zu einem möglichen Umzug der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) äußert sich Zentgraf: „Die Behörde wird einen neuen Sitz nehmen müssen; die Verfahren werden in Zukunft woanders organisiert. Dadurch dürfen die pharmazeutischen Unternehmen nicht belastet werden.“
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VfA) bedauert ebenso den EU-Austritt: Dies habe aber keine Konsequenzen für die Arzneimittelforschung oder -vermarktung in Europa. „Vielmehr wird nun ein mehrjähriges Austrittsverfahren eingeleitet; und in diesem Zeitraum werden dann alle relevanten Änderungen Zug um Zug vorgenommen“, sagte ein Sprecher. An Spekulationen über einen geeigneten neuen Standort für die EMA will sich der VfA nicht beteiligen.
Der Brexit trifft nicht nur die Exportwirtschaft, sondern auch Unternehmen mit Niederlassungen auf der Insel. Auch der pharmazeutische Großhandel wird betroffen sein. Inbesondere Celesio ist extrem abhängig vom britischen Markt – in guten wie in schlechten Zeiten.
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