Zu oft gekreuzt: In Bremen stehen Ärzte unter dem Verdacht, systematisch die Substitution von Verordnungen ausgeschlossen zu haben. Einige Ärzte sollen ausnahmslos jede Rezeptzeile mit einem Aut-idem-Kreuz versehen haben – selbst wenn kein Medikament verordnet wurde. Nun prüfen die Krankenkassen die Praxen.
Zahlen des Marktforschungsunternehmens IMS Health hatten gezeigt, dass die Vertragsärzte in Bremen bei fast 21 Prozent der Verordnungen das Aut-idem-Kreuz setzten. Das ist die höchste Quote in Deutschland, die im Durchschnitt bei 12 Prozent liegt. Das Problem: Einige Ärzte scheinen das Kreuz standardmäßig genutzt zu haben.
37 Praxen sollen zwischen 75 und 100 Prozent ihre Rezepte mit Aut-idem-Kreuzen versehen haben – darunter auch Rezeptzeilen, in denen kein Präparat verordnet war. Weitere 33 Praxen sollen bei mindestens jeder zweiten Verordnung die Substitution ausgeschlossen haben, 88 Praxen in mehr als einem Viertel der Fälle. Dies geht aus Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen (KVHB) hervor.
KVHB-Chef Dr. Jörg Hermann sieht unterschiedliche Gründe: „Manche haben das leichtfertig automatisiert“, erklärt er. Das sei nicht die hohe Schule. Man könne sich in den verschiedenen Systemen Listen mit den Arzneimitteln anlegen, die man immer wieder verordne. Wenn in dieser Liste einmal ein Kreuz gesetzt sei, werde es auch bei allen weiteren Verordnungen gesetzt, so die Erklärung.
Hinzu kommt aus Hermanns Sicht ein zweiter Aspekt: Anfang 2011 wurde das Bremer Arzneimittelregister (BAR) als Bestandteil des Versorgungsvertrags zwischen KV und Hausarztpraxen eingeführt. Zum BAR gehört eine indikationsbezogene Positivliste mit rund 260 Wirkstoffen und 15 Wirkstoffkombinationen. Entscheiden sich die Ärzte für einen Wirkstoff aus dieser Liste, sind sie vor Regressen geschützt.
Hermann vermutet, dass sich viele Ärzte in Bremen noch an die alte Vorgabe halten: Solange ein Wirkstoff von der Liste verordnet wird, ist man auf der sicheren Seite. Als das BAR eingeführt wurde, waren die Rabattverträge Hermann zufolge noch nicht aktuell und alle Beteiligten mit der Lösung zufrieden. Die Entwicklung in Bremen ist – so Hermanns Einschätzung – nicht neu. Bisher habe sich aber niemand dafür interessiert.
Nun schlagen die Krankenkassen allerdings Alarm: Alle Praxen, die mehr als 50 Prozent aller Rezeptzeilen mit einem Kreuz versehen haben, sollen nun angeschrieben werden. Die Bremer Kassen wollen gegebenenfalls auch prüfen, ob Praxissoftware manipuliert wurde.
Hermann ist überzeugt: „Eine Quote von 100 Prozent Aut idem – die kann nicht aus medizinischen Gründen entstehen.“ Auch die KVHB klärt die Ärzte darüber auf, dass eine Praxissoftware, die automatisch Aut-idem-Kreuze setze, den Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) widerspreche und illegal sei. „Wir können aber nur die Erklärung geben und nicht jede Praxis besuchen“, so der KVHB-Chef.
Ein Regress drohe den Ärzten erst einmal nicht. Zunächst erhielten die Mediziner eine Belehrung, erklärt Hermann. Danach haben die Ärzte aber ihren Freischuss verspielt. „Dann habe ich aber auch kein Mitleid“, so Hermann.
Er weist darauf hin, dass es auch 34 Bremer Praxen gibt, die nie die Substitution ausgeschlossen haben. 435 Praxen haben in weniger als 10 Prozent der Fälle das Kreuz gesetzt.
APOTHEKE ADHOC Debatte