Es gibt keinen Gewinner, nur zwei Verlierer. So weit reicht der Konsens, was die abermals geplatzte Fusion der Pharmaverbände BAH und BPI angeht. Besonders trübe ist die Stimmung beim BPI, der nicht genügend Stimmen zusammenbekommen und seinen Vorsitzenden verloren hat. Jetzt droht der Aderlass. Wie geht es weiter?
So ähnlich sich die beiden Verbände in ihren politischen Zielen und in ihrer Ausrichtung sind, so unterschiedlich sind die Kulturen, die mit der Fusion zusammengebracht werden sollten. Ein Beispiel: Der BAH hat in den vergangenen Jahren seine Türen weit geöffnet und vertritt mittlerweile die Interessen von rund 400 Mitgliedsunternehmen. Das Spektrum reicht vom globalen Pharmakonzern über den mittelständischen OTC-Hersteller bis hin zur Vertriebsfirma für Nahrungsergänzungsmittel.
Im BPI sind 270 Unternehmen zusammengeschlossen, darunter viele Familienunternehmen. Vor allem aber ist die Zugehörigkeit zur Pharmaindustrie im engeren Sinne essentiell: Nur wer tatsächlich Arzneimittel herstellt, kann Mitglied werden. Ein weiterer Unterschied: Während beim BAH alle Unternehmen bei der Mitgliederversammlung eine Stimme haben, entscheiden beim BPI die Delegierten der Landesverbände über Verbandsfragen.
Nachdem der erste Anlauf vor drei Jahren missglückt war, sollte diesmal nichts mehr schief gehen. Statt die Ausgestaltung des Gemeinschaftsprojekts VPI (Verband der Pharmazeutischen Industrie) dem offenen Diskurs zu überlassen, wollte man die entscheidenden Themen diesmal vorab klären und gut vorbereitet in die Abstimmungen gehen. In den vergangenen Monaten tingelte die Verbandsspitze durchs Land, um bei den Unternehmen für die Fusion zu werben.
Ein erstes Signal könnte es gewesen sein, dass sich die Delegierten beim BPI für eine geheime Abstimmung aussprachen. Die BAH-Mitglieder wollten die Sache offen klären; dass am Ende vergleichsweise wenige Firmen zur Mitgliederversammlung kamen und ihr Stimmrecht ausübten, mag zwar überraschend gewesen sein, könnte die Sache hier aber sogar einfacher gemacht haben.
Beim BPI warfen die Befürworter vor der entscheidenden Abstimmung am Dienstagnachmittag noch einmal alle Argumente in die Waagschale. Per Einspieler übermittelten sogar Jens Spahn (CDU) und Klaus Holetschek (CSU) ihre Grüße, mit der früheren Vfa-Chefin Birgit Fischer wurde sogar eine erste Vertreterin für den Beirat präsentiert.
Doch dann musste der Vorsitzende Dr. Hans-Georg Feldmeier erst vor dem eigenen Verband und dann auch noch vor der versammelten BAH-Mannschaft verkünden, dass es 46 Ja- und 26 Nein-Stimmen gegeben hatte. Anstelle der benötigten Dreiviertelmehrheit hatten also nur 64 Prozent für die Fusion gestimmt. Zieht man den Vorstand ab, der ja die großen Unternehmen vertritt und sich geschlossen dafür ausgesprochen hatte, dürfte es gerade mal etwas mehr als die Hälfte gewesen sein.
Feldmeier zog sofort die Konsequenz und legte sein Amt nieder. Schnell war hinter vorgehaltener Hand die Erklärung zu hören, dass aus Kreisen der Altvorderen gezielt Stimmung gegen die Fusion gemacht worden sei. Kritische Nachfragen zu strittigen Themen oder gar Protest gegen die Pläne gab es allerdings nicht.
Und tatsächlich hatten sich die beiden früheren BPI-Vorsitzenden Dr. Bernd Wegener (2000 bis 2014, heute Ehrenvorsitzender) und Martin Zentgraf (2014 bis 2020) mit den Plänen verfasst und den Mitgliedern am Wochenende vor der Entscheidung die Vor- und Nachteile der Fusion aus ihrer Sicht schriftlich dargelegt. Diese Einmischung wird in Verbandskreisen als Skandal gesehen, doch Zentgraf versichert, dass Wegener und er grundsätzlich hinter der Idee eines Zusammenschlusses stünden, immerhin sei er beim ersten Anlauf zum Zusammenschluss vor drei Jahren selbst als Vorsitzender in der Sondierungsgruppe dabei gewesen.
Während die Fusion wegen der sich daraus ergebenden Stärken und Synergien durchaus Sinn mache, gab es aus seiner Sicht für die BPI-Mitglieder wichtige sachliche Gründe, unter diesen Rahmenbedingungen gegen mit Nein zu stimmen. Er nennt drei Beispiele, die sich auch in der schriftlichen Stellungnahme fanden:
So hätten die Wirtschaftsprüfer beiden Verbänden eine positive Finanzlage bescheinigt, insbesondere der BPI sei seit dem Verkauf der Roten Liste mit einer sehr guten Liquidität ausgestattet. Beim VPI dagegen habe es für mindestens zwei Jahre eine Negativprognose gegeben – wegen der Umstrukturierung und der damit verbundenen Beratungskosten und wegen der Kosten für den nicht unerheblichen Personalabbau. Das Finanztableau sei aber nie konkret geworden – und damit ein unkalkulierbares Risiko geblieben.
Zweiter Punkt: Abgesehen vom Vorsitz und den Vorstandsmitgliedern habe es keine bekannte Personalplanung gegeben, insbesondere was die Geschäftsstellen angeht. Kritisch gesehen wurde auch die Tatsache, dass der Hauptgeschäftsführer nicht mehr im Vorstand sein sollte – und damit „zum Erfüllungsgehilfen abgewertet“ werde. Für die „politische Durchsetzung von Positionen“ sei aber gerade das Hauptamt entscheidend. Nur als Vorstandsmitglied sei es in alle wesentlichen Entscheidungen eingebunden.
Dritter Punkt: Beim BAH werden bei der Berechnung der Mitgliedsbeiträge nur die Pharmaumsätze zugrunde gelegt, so sollte es wohl auch beim neuen Verband sein. Aus Sicht von Zentgraf werden damit aber die Nahrungsergänzungsmittelhersteller bevorzugt, die teilweise komplett gegenläufige Interessen haben als die Arzneimittelfirmen.
Darüber hinaus habe es eine ganze Reihe weiterer interner Punkte gegeben, etwa die beim BPI obligatorische Mitgliedschaft im Verband der Chemischen Industrie (VCI) und darüber an den Bundesverband der Industrie (BDI). Beides werde von den Unternehmen als wertvoll wahrgenommen, habe sich aber im Satzungsentwurf nicht wiedergefunden, obwohl mehrfach angemahnt.
Dass man an der Satzung ja noch hätte feilen können, wie Befürworter vor der Abstimmung noch geworben hatten, lässt Zentgraf als Argument nicht gelten: Den Unternehmen habe die Transparenz gefehlt, sie hätten sich nicht ernst genommen gefühlt. „Die Mitglieder haben die Entscheidung gegen die Fusion nicht leichtfertig getroffen. Aber es ging um grundsätzliche inhaltliche Fragen. Das war kein Votum gegen den Vorstand.“
Was passieren würde, wenn die Fusion scheitert, hatten Zentgraf und Wegener schon in ihrem Brief skizziert: „Wir unterschätzen nicht die Problematik, die ein Scheitern der Abstimmung zur Fusion zur Folge hätte. Die Vorstandsmitglieder könnten dies als fehlende Rückendeckung interpretieren. Sie können aber auch die Kritikpunkte als Chance zur Verbesserung aufnehmen und den Verband dauerhaft stärken.“ Nach ihrer Überzeugung wäre der BPI jedenfalls auch weiterhin als unabhängiger Verband „finanziell und politisch nicht nur überlebensfähig, sondern auch schlagkräftig“.
Statt einer Fusion brachten sie in ihrem Papier die Idee eines „Spitzenverbands Pharma“ ins Spiel: „Weiterhin wirtschaftlich und organisatorisch unabhängige Verbände etablieren ein gemeinsames Sprachrohr für gesundheits- und wirtschaftspolitische Positionen.“ Die Zuarbeit könnte dann je nach Schwerpunkt aus einem der Verbände kommen. „Wir können uns nicht vorstellen, dass sich in Vorstand und Landesverbänden niemand findet, der diesen Weg im Sinne der Mitglieder gestalten will und kann.“
Zentgrafs Fazit: „Da die obengenannten Webfehler der Verschmelzung uns gegenüber von mehreren Mitgliedsunternehmen aufgeführt wurden und wir ausgewählte Vorstandsmitglieder gezielt darauf angesprochen haben, gehen wir davon, dass sich der Vorstand des Restrisikos bewusst war. Ein Plan B sollte also vorliegen.“
Doch danach sieht es vorerst nicht aus – der BPI steht im Moment ziemlich angeschlagen da. Der BAH-Vorsitzende Jörg Wieczorek übte sich auch nur einen Abend und einen Vormittag lang in Zurückhaltung, bevor er rundheraus erklärte, dass er schon einige Anträge von BPI-Mitgliedsunternehmen auf dem Tisch liegen habe. Man werde jedenfalls alles daran setzen, den BAH zu stärken, sagte er zum Abschied der denkwürdigen ersten und vielleicht letzten gemeinsamen Jahrestagung.
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