Der Streit um Health Claims bei sogenannten Botanicals wird in diesem Jahr nicht mehr geklärt. Die EU-Kommission wird sich des Falls nicht mehr annehmen; frühestens nach der Wahl 2019 wird die Behörde das Thema auf die Tagesordnung setzen. Die Unsicherheit für viele europäische Hersteller hält damit an.
Die EU schiebt das Thema seit mehr als zehn Jahren vor sich her. Rund 2000 Health Claims zu pflanzlichen Inhaltsstoffen in Lebensmitteln werden derzeit europaweit verwendet, ohne dass geklärt wäre, ob das zulässig ist. Laut der Health-Claims-Verordnung von 2006 müssen gesundheitsbezogene Werbeangaben zu bestimmten Inhaltsstoffen in Lebens- und Nahrungsergänzungsmitteln von der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA geprüft und von der Kommission zugelassen werden.
Bei mehr als 200 Inhaltsstoffen ist das bereits geschehen. Allerdings hatte die Kommission das Verfahren für den Teilbereich der Nahrungsergänzungsmittel mit pflanzlichen Inhaltsstoffen, sogenannten Botanicals, 2010 vorläufig gestoppt und später sogar grundsätzlich infrage gestellt. Die Einstellung des Verfahrens begründete sie mit unterschiedlichen Behandlungen von Pflanzenpräparaten und -extrakten in den nationalen Rechtsvorschriften.
Vor allem in Ländern wie Italien und Großbritannien werden viele pflanzliche Präparate grundsätzlich als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet, was für die Hersteller billiger, für die OTC-Branche aber schlecht ist. Eigentlich sollten die Verbraucher in der EU durch eine Gemeinschaftsliste eindeutige Informationen zu Lebensmitteln – auch Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel – erhalten. Die Liste sollte im Januar 2010 vorgelegt werden, kam aber bis heute nicht. Entsprechend wächst der Unmut bei vielen Herstellern pflanzlicher Präparate, die Wert auf wissenschaftliche Evidenz legen und sich von Nahrungsergänzungsmittelherstellern übervorteilt sehen.
Die Phytohersteller Bionorica und Dr. Willmar Schwabe sowie der Zulassungsdienstleister Diapharm wollten sich deshalb juristisch zur Wehr setzen. Mit der momentanen Praxis „werden Hersteller pflanzlicher Arzneimittelwie Bionorica, die den Wirknachweis ihrer Präparate erbringen und viel Geld in die Forschung und Zulassung investieren, entschieden benachteiligt“, beschwerte sich Bionorica-Chef Professor Dr. Michael Popp. Er sei der Auffassung, „dass europarechtlich vorgegebene Verfahren, gerade wenn sie dem Verbraucherschutz dienen, nicht einfach ausgesetzt werden dürfen“.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) schlossen sich dieser Kritik an. Eine Aufweichung der Health-Claims-Verordnung sei für den Verbraucher trügerisch: „Pflanzliche Produkte, die wie ein Arzneimittel anmuten, aber keiner behördlichen Prüfung unterliegen, können dann nicht von überwachten und sicheren Arzneimitteln unterschieden werden“, so BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. „Produkte mit nicht geprüften Gesundheitsaussagen gehören nicht in den Markt. Die Bundesregierung muss endlich auf die Durchsetzung des längst geltenden europäischen Rechts bestehen“
Vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) hatten die drei Firmen deshalb eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission angestrengt, waren damit aber gescheitert. Im September 2015 wies das EuG die Klage ab. Die Richter unterstellten Bionorica, selbst ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln zu sein und von der Übergangsregelung zu profitieren. Außerdem habe die Firma nicht nachgewiesen, tatsächlich einen finanziellen Nachteil erlitten zu haben.
Also ging Bionorica in die nächste Instanz, den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dort scheiterte der bayerische Mittelständler aber Ende 2017 erneut. Zwar stellte das Gericht eine Untätigkeit der EU-Kommission fest, dennoch wurde die Klage ebenfalls abgewiesen. Der Grund für die Abweisung war dieses mal ein formaler: Bionorica, so der EuGH, sei kein Hersteller von Lebens-, sondern von pflanzlichen Arzneimitteln. Deswegen habe das Unternehmen kein Rechtsschutzinteresse.
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