Einen Tag nach der ABDA-Mitgliederversammlung hat sich der Vorstand der Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit den Vorschlägen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Weiterentwicklung des Apothekenmarktes befasst. Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening empfiehlt, die Gespräche mit Spahn fortzuführen und zu Änderungen zu kommen. Andere Kammern fordern nach Informationen von APOTHEKE ADHOC vor allem, dass die vorgesehene Deckelung der Rx-Boni bei 2,50 Euro gestrichen wird.
Knapp sechs Stunden hat der Vorstand gemeinsam mit den Sprechern der verschiedenen Fraktionen der Kammer über Spahns Plan B beraten. Die Teilnehmer seien sich einig gewesen, insbesondere den ersten Teil des Maßnahmenpaketes hinsichtlich seiner rechtlichen Wirksamkeit „noch intensiv zu prüfen“. Auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hatte bereits unmittelbar nach der Mitgliederversammlung erklärt, dass die rechtlich verbindliche Umsetzung der Maßnahmen, insbesondere des Boni-Deckels und der Begrenzung des Rx-Versandhandels auf maximal 5 Prozent, rechtliche Fragen aufwerfe.
„Es ist aber sinnvoll, wenn die ABDA die Gespräche über das ‚Apothekenpaket‘ mit Spahn fortführt“, heißt es von der AKWL: „Dabei kann der Vorschlag von Dienstag nur der Ausgangspunkt, aber keinesfalls das Endergebnis der Verhandlungen sein. Absolute Priorität muss dabei die Entwicklung eines Gesamtpaketes sein, das die Apotheke vor Ort in ihrer Wirtschaftskraft und Zukunftsfähigkeit nachhaltig und dauerhaft stärkt.“ In der Vorstandssitzung habe man „eine Vielzahl von weiteren Ergänzungen, Forderungen und Anregungen entwickelt“, die man zeitnah der ABDA übermitteln werde. Vor der nächsten Mitgliederversammlung werde man erneut im Kammervorstand zusammenkommen, um die aktuelle Lage zu bewerten. Die AKWL wird in den nächsten Tagen einen mehrseitigen Forderungskatalog an die ABDA senden. Abgelehnt wird darin unter anderem, in einem deutschen Gesetz einen 2,50 Euro Boni-Deckel für ausländische Versender zu verankern.
Auch in anderen Kammern und Verbänden wurden Spahns Vorschläge bereits intensiv diskutiert. Dort zeichnet sich dem Vernehmen nach ebenfalls Widerstand gegen die Verankerung des Boni-Deckels in Höhe von 2,50 Euro ab. Der Gegenvorschlag lautet, die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ohne Boni-Deckel im §129 Sozialgesetzbuch V (SGB V) zu verankern. Sollten ausländische Versender trotzdem Boni gewähren, bestünde so die Chance auf eine erneute Klage bis hin zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), heißt es dort. Schließlich habe Spahn selbst in seinen Acht-Punkte-Plan geschrieben, dass bei einer erneuten EuGH-Befassung durch die Überführung der AMPreisV ins SGB V „der Fokus verstärkt auf die mitgliedstaatliche Kompetenz zur Ausgestaltung seinen Gesundheitssystems“ gelegt werden könnte.
Auf Unverständnis stieß bei einigen Mitgliedsorganisationen auf die Veröffentlichung von drei Rechtsgutachten unmittelbar im Anschluss an die Mitgliederversammlung von Dienstag. Bei anschließenden Pressegespräch hatte die ABDA ein bis dato gegenüber Kammern und Verbänden und auch der Öffentlichkeit geheim gehaltenes Gutachten des Ex-Verfassungsrichters Udo Di Fabio zur rechtlichen Umsetzbarkeit in einer Zusammenfassung ausgelegt und später im eigenen Newsroom veröffentlicht.
Außerdem wurden zwei weitere Gutachten zum Rx-Versandverbot vom November und Dezember 2016 als Zusammenfassung – eines von Professor Dr. Ulrich Becker und von Professor Jürgen Schwarze – ausgelegt. Dass die Gutachten von der ABDA erst bekannt gemacht wurden, nachdem Spahn das Rx-Versandverbot in der Mitgliederversammlung politisch „abgeräumt“ hat, stößt dort auf Unverständnis.
Inzwischen haben sich auch weitere Stimmen zu Spahn Plänen geäußert: Dr. Martin Weiser, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), sieht darin positive Ansätze: „Die Absicht des Bundesgesundheitsministers, die flächendeckende Versorgung mit Apotheken vor Ort zu sichern und zu stärken, ist zu begrüßen. Positiv ist zudem, dass die freie Apothekenwahl erhalten bleiben soll. Dass Apotheken darüber hinaus zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen sowie weitere Aufgaben in der Gesundheitsversorgung übernehmen sollen, liegt im Interesse der Patienten. Der BAH wird das nun zu erwartende Gesetzgebungsverfahren aufmerksam verfolgen und kritisch-konstruktiv begleiten. Wichtig ist, dass im Sinne des Einzelnen und der Gesellschaft eine niedrigschwellige und flächendeckende Arzneimittelversorgung erhalten bleibt.“
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