Registrierkassengesetz

Bon-Pflicht: Bessert die Koalition jetzt nach?

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Berlin -

Hohe Kosten, unnötiger bürokratischer Aufwand, Belastung für Umwelt und Gesundheit – die Kritikpunkte an der Kassensicherungverordnung (KassenSichV) und der damit einhergehenden Bon-Pflicht sind zahlreich. Im Kampf gegen den grassierenden Steuerbetrug am Ladentisch sollen mit dem Jahreswechsel Kassen technisch aufgerüstet werden. Bei jeder Transaktion sollen Händler dann auch einen Beleg ausgeben – beim Bäcker, am Tresen im Club und in jeder Apotheke. Daher reißt die Kritik am Gesetz nicht ab. Jetzt will die Politik darauf reagieren. Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC soll das Gesetz nachgebessert werden.

Gestern Abend befasste sich unter anderem die CDU-Landesgruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit diesem leidigen Thema. Abgeordnete berichteten über den Ärger, die die Bon-Pflicht in ihren Wahlkreisen bei Händlern auslöst. Nach Darstellung von Teilnehmern kündigte Carsten Linnemann, stellvertretender Fraktionsvorsitzenden für den Bereich Wirtschaft, Mittelstand und Tourismus und Chef der einflussreichen CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Korrekturen an: „Da müssen wir ran“, hat Linnemann Teilnehmern zufolge gesagt. Auch gegenüber der CDU-Abgeordneten Kerstin Vieregge aus Lippe hatte Linnemann zuvor angekündigt eine, praktikablere Lösung suchen zu wollen.

In Frage kommen könnte ein Aussetzen der Bon-Pflicht für zwei Jahre. Denn bis 2022 gilt eine Übergangspflicht für alte Registrierkassen. Hiernach besteht bei solchen Registrierkassen, die nach dem 25. November 2010 und vor dem 1. Januar 2020 angeschafft wurden, eine weitere Verwendungsmöglichkeit bis Ende 2022. Diese Kassen entsprechen zwar den aktuellen Anforderungen, sind aber baubedingt nicht mit einer zertifizierten Sicherungseinrichtung aufrüstbar. Ab 2022 könnte dann die Bon-Pflicht entfallen, weil alle Kassen dann fälschungssicher sein müssen. Die Bon-Pflicht sollte bis dahin die Möglichkeiten zur Steuerverkürzung eingrenzen.

Denn der Staat verliert alljährlich hohe Summen, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen – vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Den von der Steuergewerkschaft und einigen Ländern bezifferten Schaden von jährlich zehn Milliarden Euro hielt das Bundesfinanzministerium bisher aber für zu hoch. Nach einer passenden Lösung des Problems suchten Bund und Länder viele Jahre, auch der Bundesrechnungshof mahnte immer wieder Maßnahmen gegen Mogelkassen an.

Cetin Acar vom Handelsforschungsinstitut EHI schätzt, dass die neue Bon-Pflicht „unverhältnismäßige Kosten“ verursachen wird. Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) geht von erheblichen Summen für Betriebe aus. „Erste grobe Kostenschätzungen liegen einschließlich Installation zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse“, sagt HDE-Steuerexperte Ralph Brügelmann. In einzelnen Branchen können die Kosten aber noch weiter in die Höhe schießen – etwa bei Metzgereien. Denn dort sind Kassen und Waagen verbunden, wie Gero Jentzsch vom Deutschen Fleischer-Verband sagt. Der Umbau sei deshalb komplizierter. Pro Laden geht er von Kosten um 4000 Euro aus. Schlimmer noch: Nur etwa die Hälfte aller Systeme in Metzgereien könne überhaupt technisch nachgebessert werden. In den anderen Geschäften müssten neue Kassen-Waagen-Verbunde angeschafft werden, sagt Jentzsch. Kostenpunkt: 30.000 Euro: „Gerade für einen kleinen Handwerksbetrieb ist das eine Investition, die in die Existenzbedrohung gehen kann.“

Doch obwohl die Verordnung von Januar an in Kraft tritt, können Unternehmer sich noch nicht mit neuen oder umgebauten Kassen ausrüsten. Jürgen Benad, Experte für Kassensysteme beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, spricht deshalb von einer „großen Misere“ für die Branche. Der Ball liege bei den Kassenherstellern. Diese spielen ihn aber zurück zum Finanzministerium. Lange sei es schwierig gewesen, gemeinsam eine Technik für die Kassen zu entwerfen, sagt Roland Ketel, Vorstand des Deutschen Fachverbands für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik. Eine Kasse sei eben kein Computer, nur sei es schwierig gewesen, dies dem Finanzministerium zu verdeutlichen. Erst im zweiten Halbjahr sei man praktische Schritte gegangen.

Die Herstellung der neuen Kassen ist Ketel zufolge ein „riesen Arbeitsaufwand“. Immerhin könnten von den etwa 1,85 Millionen Kassen, die in Deutschland im Einsatz sind, nur zwischen 400 und 500 umgerüstet werden. Die anderen müssten komplett neu produziert und ersetzt werden. Ein finanzieller Schub für die Kassenhersteller sei zwar erwartbar, aber soweit sei man noch nicht. „Es gibt noch keine Kasse, wir haben lediglich Feldtests gemacht“, sagt Ketel. Die Produktion der TSE solle bald ins Laufen kommen. Es gebe allerdings nur zwei Hersteller, die diese derzeit für die normale Kasse anfertigten. „Wir müssen natürlich auch sehen, ob die beiden Hersteller in der Lage sind, das in ausreichender Zahl zu produzieren.“

Neben der technischen Umstellung sorgt aber insbesondere die Bon-Pflicht für Unmut. „Wer im Einzelhandel einkauft, der hat selten Interesse an einem Kassenzettel“, sagt Benad von der Dehoga. Bei Bäckereien wollen nur weniger als 3 Prozent der Kunden einen Beleg, wie der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks schreibt. Der HDE geht davon aus, dass Zahl und Länge der auszugebenden Kassenzettel spürbar zunehmen werden: „Im Einzelhandel in Deutschland rechnen wir mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr.“ Die Bon-Pflicht bedeute deshalb „gerade für kleine Händler erhebliche Mehrkosten für Papier, Druck und Entsorgung der liegengebliebenen Bons“, betont der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

Wenn der Kunde den Kassenzettel nicht wolle, müsse er ihn auch gar nicht mitnehmen, erklärt das Finanzministerium dazu. Nur der Händler müsse ihn aufheben. Die Belegpflicht stärke Transparenz und helfe gegen Steuerbetrug, etwa weil das Kassensystem und die Bons miteinander abgeglichen werden könnten. Zu guter Letzt gibt es aber nicht nur Kritik an den Details des Kassengesetzes, sondern auch Zweifel an dessen Wirksamkeit. Acar vom EHI sagt, die Verordnung sei nicht der Sache dienlich, Betrug könne nicht ganz vermieden werden. So könnten Händler nach wie vor einen Vorgang einfach nicht in der Kasse registrieren. Laut HDE-Experte Brügelmann kann die Umstellung der Kassen Steuerbetrug zwar eindämmen, die Beleg-Pflicht trage aber nicht dazu bei. „Denn mit dem ersten Tastendruck beim Kassieren wird eine Transaktion eröffnet, die sich bei einer mit einer TSE ausgerüsteten Kasse nicht mehr ohne Spuren löschen lässt. Ob dann der Kunde einen Beleg bekommt oder nicht, ist unerheblich.“

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